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    Leb dein Leben wie du willst, aber lebe!

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    Ein Typ im College, der jüdisch und sehr klug ist. Das ist kurz gefasst die Identifikation, die den Regisseur James Schamus mit dem Protagonisten Markus Messner verbindet. Aus persönlichen Erfahrungen entstehen so faszinierende Charaktere, die geliebt werden wollen, und gespielt werden wollen – von Logan Lerman (bekannt aus „Vielleicht lieber morgen“) und Sarah Gadon. Als wären die Rollen ihnen auf den Leib geschrieben, verkörpern die jungen Schauspieler authentisch diese liebenswerten Rollen, mit denen man lacht, weint und einfach fühlt. Was den Film in seinem Plot treibt, ist die bezwingende Überzeugungskraft von Marcus, mit der er gegen seine Kollegen, seine Eltern und seinen Direktor argumentiert. Sarah und er sind beide Aussenseiter, gewöhnliche Teenager die nicht in das System hineinpassen, in dem sie sich befinden, und das ist der Eingangspunkt, durch den jeder Zugang zu den beiden bekommt.

    Stilistisch ist der Film in den 50er-Jahren angesiedelt, Pettycoats und Vietnamkriegsveteranen symbolisieren überzeugend diese schwierige Zeit, in der jeder um das Leben seiner Söhne sorgte und der einzige Ausweg darin bestand, an ein College zu gehen. Eine Kriegsszene schließt den Film als Ellipse ein und gibt damit einen klärenden Kontrast zu den oberflächlich scheinenden Sorgen der Collegebesucher. Die Frage nach dem Weg des Lebens, dem Schicksal und den vielen kleinen Entscheidungen die schließlich zum Tod führen, bestimmt den Grundton des Films.

    Es ist ein Independent Film wie er leibt und lebt und dafür liebe ich ihn. Wes Anderson lässt grüßen aus der Rushmore Academy. Beeindruckend ist auch, dass es der erste Film ist, bei dem James Schamus Regie führte. Er wurde angeblich aus seiner Produktionsfirma rausgeworfen, nachdem er schon einige Filme über sensible Männer produziert hatte. Neben dieser Erfahrung halfen ihm intensive Recherchen in der Vorbereitung (er schaute sich mit Logan Lerman etliche Szenen, die seiner Idee ähnelten, aus anderen Filmen an) und dass er ein Buch von Philip Roth als Basis verwenden konnte.

    Die Musik - hauptsächlich Klavier - ist von traditionellen Liedern der Zeit der 50er Jahre inspiriert. Ein spannendes Element waren aber auch die kommunistischen Hymnen, die der nervige Zimmerkollege Flusser mit seinen Schallplatten auf und ab spielt und Marcus damit aus dem Zimmer vertreibt. Schließlich mochte ich noch die Francophonie der Olivia, die überzeugt ist, er sollte doch an der Sorbonne studieren und in einer Dachgarçonnière wohnen.

    Doch am Ende bleibt offen: hat Marcus aus seinen Erlebnissen überhaupt etwas gelernt? Warum muss er die gleichen Fehler wieder und wieder machen? Es bleibt viel Raum für Interpretationen.
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    25.02.2016
    23:02 Uhr