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    der pönologe und die "komplizen im verbrechen"

    "ist einer von euch jungs auf frühzeitige entlassung aus?" der neuzugang im wakefield-gefängnis glaubt nicht recht zu hören und zu sehen: strafgefangene, die mit gewehren bewaffnet sind und flüchtige erschießen, um so ein bissel früher rauszukommen, vergewaltigungen, auspeitschungen – nur um ein exempel zu statuieren – und folter sind an der tagesordnung. den gefangenen wird ein madenverseuchter fraß auf den teller geklatscht, während frischfleischlieferungen und tausende konservendosen auf wundersame weise verschwinden, die insassen müssen 15 stunden täglich sklavenarbeit auf den umliegenden feldern verrichten, dürfen aber für das privileg eines bettes oder eines anständigen haarschnitts extra bezahlen.

    zwanzig, dreißig minuten nach filmbeginn gibt sich der neuzugang als gefängnisdirektor brubaker zu erkennen. erste friktionen mit den anhängern des status quo ("man sollte nicht versuchen traditionen zu ändern, von denen die gesamte bevölkerung profitiert") werden sichtbar, der gouverneur möchte seine reformen doch nicht ganz so rigoros umgesetzt sehen – doch brubaker beschließt alle sabotagen, drohungen und wohlmeinenden ratschläge in den wind zu schlagen. als er durch einen alten häftling auf ein massengrab ermordeter häftlinge aufmerksam gemacht wird, beginnt er zu graben: plötzlich soll es für die reformen wieder geld geben, seine vorschläge sollen umgesetzt, alle forderungen erfüllt werden – wenn er nur die toten ruhen lässt.

    ein moralischer zwiespalt, der sogar zum zerwürfnis mit seiner pragmatischen mitstreiterin führt: sie will "das system von innen reformieren", er will "keine faulen kompromisse eingehen", ein häftling wirft ein: "sie lassen andere für sie hängen, ein armes schwein muss (für ihre ambitionen) bezahlen..." als die ersten (von 200!) toten ausgegraben werden, wird brubaker prompt entlassen – doch zwei jahre später wird höchstgerichtlich eine reform oder aber die schließung der anstalt angeordnet, und der gouverneur nicht wiedergewählt werden.

    fazit: horrorphantasie eines drehbuchautors? leider nein: der film basiert auf dem 1969 erschienen "accomplices to the crime: the arkansas prison scandal" des pönologen thomas o. murton, die figur des gefängnisdirektors henry brubaker, der sich als häftling in ein gefängnis in arkansas einschleusen lässt, ist dem autor nachempfunden. 1967/68 in den tucker und cummins prison farms in arkansas als direktor tätig, initiierte er eine gefängnisreform, die ihn zwar den job – jeden weiteren job in der gefängnisverwaltung – kosten sollte, aber durch seine unbeugsame haltung zu einer verurteilung der in arkansas herrschenden zustände als "verfassungswidrig" führte.

    neben der darstellung des horrenden gefängnisalltags zettelt brubaker eine manchem vielleicht fade und allzu akademisch erscheinende diskussion um scheinbar leere floskeln (wie "ein maß für alle" oder "wenn es um die wahrheit geht, kann es keinen mittelweg geben") an – aber gerade der streit um die wahl der rechten mittel vermag einen spannenden anstoß zu einer auseinandersetzung mit der eigenen position zu liefern.
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    15.05.2015
    01:10 Uhr