Amour fou

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Forumseintrag zu „Amour fou“ von 8martin

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8martin (25.05.2017 19:57) Bewertung
Heinrich & Henriette
Hiermit hat Jessica Hausner eine Lücke in der deutschen Klassik geschlossen: der Selbstmord des Heinrich von Kleist (Nov 1811). In für heutige Verhältnisse abgehobener Sprache – die aber durchaus zeitgemäß für das frühe 19. Jahrhundert war – hat sie mit distanzierter Sicht, vor einer statischen Kamera beinahe apodiktische Gespräche ablaufen lassen. Das ist sehr überzeugend in der Diktion und oft pointiert auf den Punkt gebracht: Er sucht eine Liebe nicht für das Leben, sondern für den gemeinsamen Tod. Ihr Ziel ist es gemeinsam ‘unsterblich‘ zu werden.
Die Geschichte wird in wunderschön komponierten Bildern erzählt, die im Stil der Zeit wie Gemälde nachempfunden sind.
Die Akteure sind gut gewählt: Christian Friedel ähnelt dem Bild des Heinrich von Kleist, das wir von den Kupferstichen her kennen und Birte Schnöink (Henriette) ist das kränklich anämische ‘Täubchen‘ als Idealbesetzung für eine Liebe, die im Tod ihre Erfüllung findet. Ganz im Gegensatz zu Sandra Hüller (Marie), die eher dem Leben zugewandt noch rechtzeitig die Kurve kriegt.
Beim unabwendbaren tödlichen Finale bleibt der Film etwas verschwommen: ein Schuss auf Henriette, danach zwei Ladehemmungen und zwei Mäntel am Boden, ein Abschiedsbrief.
Ironischer Epilog ist das Gespräch der Hinterbliebenen, so als wäre nichts gewesen und der Obduktionsbericht des Arztes (Holger Handtke), dass keine lebensbedrohliche Geschwulst in der Verblichenen gefunden wurde.
Ein stilvolles Kunstgebilde, das die Ästhetik des Biedermeiers zum Gestaltungsprinzip macht und in ein für die heutige Zeit sonderbar anmutendes Ambiente hüllt, in dem sich irgendwie ‘der sterbende Schwan‘ verbirgt.
 
 

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