Foxcatcher

Bewertung durch barry egan  75% 
Durchschnittliche Bewertung 74%
Anzahl der Bewertungen 12

Forumseintrag zu „Foxcatcher“ von barry egan


barryegan_8f8e57e162.png
barry egan (04.02.2015 17:43) Bewertung
Träger Film mit tollen Schauspielern
1987. Der geltungssüchtige John du Pont (Steve Carell) gehört zur reichsten Familie der USA. Auf dem Familienanwesen in Pennsylvania richtet er ein Trainingszentrum für Ringer ein, um sich im Glanz ihrer Goldmedaillen sonnen zu können. Besonderes Interesse hat er an den Brüdern Dave (Mark Ruffalo) und Mark Schultz (Channing Tatum), die beide schon 1984 Olympiasieger wurden.

„Foxcatcher“ ist ein Hybrid. Teils Sportfilm, aber dafür ist er nicht genug am Wettkampf selbst interessiert. Teils Psychodrama, aber dafür schafft er es zu selten, unter die Oberfläche einzutauchen. Teils Tragikomödie, aber dafür ist er nicht spitz genug. Wenn dann der Regisseur verlauten lässt, kaum eine Szene sei ohne Improvisationen entstanden, kommt der Eindruck der Konzeptlosigkeit auf. Wie schon bei Bennett Millers Erstling „Capote“ verlässt man den Kinosaal mit Fragezeichen im Kopf. Was wollte uns der Film jetzt eigentlich sagen? Ist das gutes, intelligentes Kino ohne formelhafte Kausalketten oder doch ziellos dahinmäandrierendes Atmosphärenkino? Man wähnt sich ständig im Build-up zur Eskalation, aber die kommt dann so lapidar daher, dass man sich um sein emotionales Investment betrogen fühlt. Und ohne Katastrophe ist es nun einmal bloß ein Film über die Trainingsbedingungen von Weltklasseringern.

Eines hat der Film mit „Capote“ gemein: Er gibt seinen Hauptdarstellern Platz zu glänzen. Steve Carell erinnert in der Maske des unansehnlichen „Ornithologen, Philatelisten und Philanthropen“ ein wenig an Dr. Evil. Sein John du Pont bleibt rätselhaft - es wäre eigentlich der Job des Films, hinter seine Fassade blicken zu lassen, aber darin scheitert er. Leicht kränkbare Eitelkeit, Cäsarenwahn und tragische Einsamkeit sind ihm an der hoch getragenen Prothesennasenspitze anzusehen, das Verhältnis zur alten Mutter (Vanessa Redgrave, er nennt sie „Mutter“, das verheißt seit Norman Bates nichts Gutes) ist ein äußerst heikles.
Channing Tatum gibt den jüngeren Ringer Mark, dessen mangelnde sprachliche Ausdrucksfähigkeit ihn als tumbe, aber ehrliche Persönlichkeit erscheinen lässt. Ganz groß ist Mark Ruffalo als sein älterer Bruder, Mentor und Ersatzvater Dave – ein nachdenklicher, bodenständiger Mensch, der brüderliche Fürsorge ausstrahlt. Die Oscarnominierung hat sich Ruffalo mit diesem Glanzstück seiner Wandlungsfähigkeit redlich verdient. Aber was nützen alle schauspielerischen Leistungen, wenn der Film selbst hinterherhinkt?

Erwähnenswert am FM4-Screening im Wiener Filmcasino war das Gespräch mit dem FM4-Nachrichtenredakteur Steve Chaid, dessen ringender Bruder Dan als Teil des „Team Foxcatcher“ einige Monate auf der Foxcatcher Farm lebte. So lernte Steve auch die Schultz-Brüder kennen und konnte mit Anekdoten aus erster Hand aufwarten. Nach einigen Drinks im Wiener Bermudadreieck kam Dave Schultz etwa einmal auf die Idee, den Stephansdom zu besteigen, ließ es dann aber zum Wohle beider doch bleiben.
 
 

zum gesamten Filmforum von „Foxcatcher“
zurück zur Userseite von barry egan