Pierrot Lunaire

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Forumseintrag zu „Pierrot Lunaire“ von patzwey

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patzwey (18.02.2014 13:21) Bewertung
Atonale Zerrissenheit
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
Über 100 Jahre nachdem der österreichische Komponist Arnold Schönberg einen Gedichtzyklus von Albert Giraud vertonte, inszeniert der kanadische Künstler Bruce LaBruce die Komposition auf der Leinwand. Die Kultfigur des Queer-Cinema spielt dabei in seinem ungefähr 50-minütigen zu großen Teilen schwarzweißen Experimentalfilm mit unterschiedlichen Realitätsebenen. Der stummfilmartige Aufbau dieses faszinierenden Werkes erinnert an die Schaffensperiode Schönbergs. Im Mittelpunkt steht die innere Zerrissenheit von Pierrot Lunaire, seine Träume und sein Verlangen. Sein Verlangen nach einem männlichen Körper um genau zu sein. Denn mit der weiblichen Hülle, die ihm die Geburt beschert hat, fühlt sich Pierrot nicht komplett. In einer cabaretartigen Phantasie träumt er von einem Penis, der ihm auf der diegetischen Realitätsebene jedoch verwehrt bleibt. Da hilft es auch nicht, auf einem kirchlichen Altar mit Hilfe eines Rasiermessers die Brüste zu opfern. Die einzelnen Ebenen verrinnen durch Überblendungen und den geschickten Schnitt ineinander und werden durch den Einsatz surrealer Elemente bereichert. Aber auch die Einbindung von Bildfetzen aus Horror und Pornographie tragen zur gelungenen Visualisierung von Pierrots Gefühlswelt bei. Die atonale Musik Schönbergs ergänzt das Bild, lässt das gesehene in neuem Kontext erscheinen und bringt die innere Zerrissenheit und Verzweiflung Pierrots perfekt ans Tageslicht. Doch diese Wechselwirkung funktioniert in beide Richtungen. Denn auch die 21 von Schönberg vertonten und von Hauptdarstellerin Susanne Sachsse vorgetragenen Gedichte, werden durch das Bildmaterial um Bedeutungsebenen erweitert.
 
 

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