Aimer, boire et chanter - Life of Riley

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Forumseintrag zu „Aimer, boire et chanter - Life of Riley“ von patzwey

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patzwey (11.02.2014 15:18) Bewertung
Der alte Mann und das Theater
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
Alain Resnais ist einer der wichtigsten und einflussreichsten Regisseure der französischen Filmgeschichte, der vor allem mit seinen frühen Dokumentarfilmen Genremaßstäbe setzte. Seit geraumer Zeit widmet sich Resnais in seinen Filmen aber immer wieder der Verbindung von Kino und Theater. So auch in „Aimer, boire et chanter“, der auf der britischen Komödie „Life of Riley“ von Alan Ayckbourn basiert. Und obwohl der an Krebs erkrankte George Riley beinahe fast in jeder Szene dieses amüsanten Werkes im Mittelpunkt steht, ist er kein einziges Mal im Film zu sehen. Er schwebt vielmehr wie eine allumfassende Macht über den Köpfen seiner sich um ihn sorgenden Freunde und verändert ihr (Liebes)Leben nachhaltig.

Dabei lässt Resnais die Grenzen filmischer und theatraler Erzählweisen verschwimmen und lotet die Grenzen der beiden historisch verwandten Medien aus. Die Ausstattung rückt in den Hintergrund und die sechs Darsteller spielen zur Gänze in beinahe leeren, künstlichen Kulissen. Dieses Realitätsmanko ermöglicht jedoch eine vollkommene Konzentration auf die Charaktere selbst. Der Körper selbst steht somit im Mittelpunkt und wird nur aus sich selbst heraus sowie aus den Körpern in seiner Umgebung und nicht durch den Raum definiert. Und wenn dann die Köpfe in Nahaufnahmen noch vor einem völlig entleerten Bildhintergrund platziert werden, fühlt man sich plötzlich mit dem Gesicht auf der Leinwand alleine im Kinosaal, was die Emotionalität der Szenen ungemein verstärkt. Bei dem theatralen Schauspielstil der großartigen Darsteller, weiß man zudem nie genau, ob die Figuren auf der Leinwand gerade proben oder nicht – sie scheinen es sogar oft selbst nicht zu wissen. Somit verschlingen sich auch hier wieder verschiedene erzählende Ebenen ineinander zu einem dichten Gewirr. All diese filmischen Auslegungen des Brecht'schen Entfremdungseffektes können dabei als eine zeitgemäße Neuinterpretation (oder Weiterentwicklung) der von Resnais mitgeprägten Ideale der französischen Nouvelle Vague gelesen werden. Und während die Figuren lieben, lachen und tanzen, wird das Publikum durch die Theaterhaftigkeit dieses ebenso kurzweiligen, wie fordernden Werks auch immer aus seiner Traumwelt gerissen und an das Medium Film erinnert, das ja letztendlich im Kino im Mittelpunkt stehen soll.
 
 

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