Einer nach dem anderen

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Forumseintrag zu „Einer nach dem anderen“ von themovieslave

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themovieslave (11.02.2014 21:51) Bewertung
Schwarze Rache- Komödie über mafiose Gewalt-Mechanismen
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
Nils (Stellan Skarsgard) und seine Ehefrau fahren in die nächste Stadt um die Leiche ihres Sohnes zu identifizieren. Und tatsächlich ist es er: Drogentod, Heroin-Überdosis. Nils will den Obduktionsergebnissen keinen Glauben schenken. Er ist davon überzeugt, dass sein Sohn von der Mafia ermordet wurde und geht auf einen blutigen Rachefeldzug, der diverse mafiöse Organisationen von Innen aus zerstört.

Was wie eine norwegische Neuinterpretation von „Death Wish“ in einem „Fargo“-artigen Setting beginnt, geht in weiterer Folge als Schwarze Komödie weiter. Als die Eltern die Leiche ihres Kindes identifizieren sollen und ein Mitarbeiter der Pathologie-Abteilung die Liege, auf der sich die Leiche befindet, zunächst einige Zentimeter mit einem Hebe- Mechanismus hochpumpen muss, bleibt dem Zuschauer zum ersten Mal das Lachen im Hals stecken. Was war das nun? Unfreiwillige Komik? Geschmackloses Witzchen? Weder noch – der Moment markiert einen markanten und zynischen Wechsel des Tonfalls. Nun geht der leidende Vater mittleren Alters auf einen blutigen Rachefeldzug – und was man schon duzende Male im Kino gesehen hat, wird durch den Einsatz bitterbösen schwarzen Humors gekonnt parodiert. Der friedliche Vater, der nach seinem ersten Tod leidet und den Rachemord mit sehr viel Qual vollzieht? Fehlanzeige: Gekonnt sucht Nils sein erstes Opfer auf und schießt ihm ganz entspannt den Schädel weg. Durch den Einsatz von Gewalt quetscht Nils aus seinem Opfer jeweils heraus, wer den Befehl zum Mord an seinem Sohn gegeben hat und für wen diese Person jeweils arbeitet. Und so tötet sich Nils hoch bis zum exzentrischen Mafia- Boss und dogmatischen Veganer (großartig in jeglicher exzentrischen Nuance: Pal Sverre Hagen).

Hans Petter Mollands neuer Film lebt von gekonnten Momenten der Selbst- Ironie und entzieht sich somit jeglicher Gefahr, eine Geschichte, die schon oft erzählt wurde, einfach nur in einem anderen Setting zu wiederholen. Bis in die kleinsten Nebenrollen wurden starke Charakterdarsteller besetzt. Allen voran Bruno Ganz, der als serbischer Mafia-Boss überrascht: Die gesamte Rolle spielt er in perfektem Serbisch, gelegentlich muss er ein paar Worte im gebrochenen Norwegisch sprechen. Ja, Ganz, der kann alles.

„Kraftidioten“ (welch ein Titel!) ist oft sehr vorhersehbar und nimmt inhaltlich, vor allem in der zweiten Hälfte, nur wenige überraschende Wendungen ein. Nichtsdestotrotz: Wer glaubt, den einsamen Mann auf Rachefeldzug schon zu oft gesehen zu haben, sollte „Kraftidtion“ auf Grund des brillanten Cast und des gekonnten Zynismus trotzdem eine Chance geben – allein das Bild, in dem ein Fallschirmspringer von einem Schneepflug getötet wird, ist den Film schon wert.
 
 

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