Class Enemy - Klassenfeind

Bewertung durch barry egan  50% 
Durchschnittliche Bewertung 50%
Anzahl der Bewertungen 1

Forumseintrag zu „Class Enemy - Klassenfeind“ von barry egan

barryegan_8f8e57e162.png
barry egan (03.01.2015 13:07) Bewertung
Klassenfeind - Preisklasse: EU-preiswürdig
Dieser slowenische Film war einer der drei Finalisten für den LUX-Filmpreis des Europaparlaments für den besten europäischen Film (das Kleingedruckte: der sich des Themas Integration annimmt und den Reichtum der sprachlichen Vielfalt in Europa widerspiegelt) des Jahres 2014. Als solcher wurde er im Wiener Metro-Kino in der Johannesgasse bei freiem Eintritt (Zählkarten) gezeigt, wo ich ihn, einen herausragenden Film erwartend, bei vollem Haus sehen durfte. Vor Filmbeginn hielt ein EU-Abgeordneter eine zu lange Rede, war es Othmar Karas höchstselbst? Ich vergaß. Er entschwand jedenfalls nach seinen salbungsvollen Worten, da er den Film sicher schon kannte.

Der Film selbst nun: Eine Maturaklasse verliert ihre geliebte Klassenvorständin an die Karenz, der Nachfolger und Deutschlehrer ist ein stolzer Herr mit finsterer Miene (Igor Samobor, offenbar ein großer Name in Slowenien, da das Kinoplakat nur seinen Nachnamen nennt). Der strenge Mann irritiert die Pubertierenden. Er macht kein Hehl daraus, dass er ihre Orientierungslosigkeit verachtet, und macht schon mal eine Schülerin mit bösartigen Fragen persönlich nieder. Die grüblerische Sabina begeht bald darauf Selbstmord. Das Warum bleibt im Dunkeln, doch die Klasse weiß: es war nur des Lehrers Schuld. Anfangs vereint, machen sie die Deutschstunde zum Kampfplatz zivilen Ungehorsams, aber mit der Zeit bröckelt die Front und es brechen Streit und Zweifel über die Revolte aus.

Ich war vom Film enttäuscht, da er sein Thema nicht durchdrang. Der Krieg zwischen Schülern und Lehrern ist ein kalter und ereignisarmer, die Schüler meist Klischees (flippiger Radiomacher mit Kopfhörern, angepasster Streber in der ersten Reihe, still leidender Halbwaise, extrovertiertes Punkgirl). Der Lehrer agiert den Film über unwirsch und scheinbar unbeeindruckt, umso überraschender und aufgesetzter, dass er in der allerletzten Schulstunde plötzlich einen klugen, analytischen Monolog über den vergangenen Kleinkrieg hält. Eine von mehreren dramaturgischen Schwächen, die dem jungen Regisseur Rok Biček (Jahrgang 1985) unterlaufen sind. Die elende Wackelhandkamera, die Unmittelbarkeit ausdrücken soll, möchte man auch seit Jahren schon auf dem Misthaufen der jüngeren Filmgeschichte wissen. Das Auge hat auch an bekannt schmuckloser Mittelschul-Innenarchitektur wenig zu weiden. Die deutsche Aussprache und Sprachmelodie von Igor Samobor waren zudem ein bisschen zu schlecht für einen Deutschlehrer, wenn auch respektabel.

Wie kommt es nur dazu, dass dieser Film in die Endauswahl des LUX-Filmpreises gekommen ist? Mit solchen Finalisten wird diesem recht unbekannten Preis jedenfalls keine größere Relevanz zuteilwerden. Wahrscheinlich wurde bei der Selektion zu wenig auf filmische Qualitäten und mehr auf typisch europäische „ernsthafte Behandlung von Problemen unserer Zeit“ geachtet. Europa hätte nicht viel verpasst, wenn der „Klassenfeind“ in Slowenien geblieben wäre.
 
 

zum gesamten Filmforum von „Class Enemy - Klassenfeind“
zurück zur Userseite von barry egan