Im Namen des ...

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Forumseintrag zu „Im Namen des ...“ von Harry.Potter

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Harry.Potter (08.02.2013 23:51) Bewertung
Gefühlvolles und anklagendes Plädoyer wider das Verdrängen
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
In ihrem neuesten Film hat die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska ein Thema ausgewählt, das nicht nur in ihrer polnischen Heimat, aber gerade durch die dort besonders starke Alltagspräsenz der Römisch-Katholischen Kirche, ein Dauerläufer in der öffentlichen Kritik ist. Das Festhalten der katholischen Kirche am Zölibat für ihre Geistlichen war, ist und bleibt wohl ein immer wiederkehrender Kritikpunkt innerhalb der öffentlichen Auseinandersetzung mit zahlreichen Missbrauchsfällen bzw. angesichts der Schicksale einzelner Geistlicher, die aufgrund ihres Unvermögens, die Zölibatsauflagen zu erfüllen, ihr Amt niederlegen bzw. niederlegen müssen. Mit ihrer theologischen Argumentation und Begründung der tiefen Verwurzelung in der katholischen Tradition ist es der Kirche bisher nicht gelungen, ihre Kritiker vollständig zu überzeugen. Ähnliches gilt, wenn auch unter verschärften Vorzeichen, wenn es um die Haltung der Kirche in Bezug auf Homosexualität, insbesondere unter ihren eigenen Geistlichen geht. Bisher waren die Reaktionen der Kirche diesbezüglich geprägt von einer Haltung der Ablehnung, des Negierens bzw. des Verdrängens, aber auch einer gewissen Ratlosigkeit, wie sie angesichts des akuten Mangels an Geistlichen in Westeuropa mit diesem Thema umgehen soll. Entsprechend unversöhnt und konfrontativ stehen einander die Lager in dieser Frage gegenüber. Alles andere als unversöhnt und in einer sehr einfühlsam-konfrontativen Weise hat sich Szumowksa in ihrem Film dem Thema genähert. Ihr Film ist alles Andere als eine Bloßstellung oder simple Lächerlichmachung der Kirche und sie kommt auch ohne abgedroschene Klischees aus, wenn sie die Geschichte von P. Adam erzählt. Vielmehr hat sie ihren Film als die unausweichliche Folge des Schweigens und des Verdrängens einer Vergangenheit konzipiert, die sich immer hartnäckiger zu Wort meldet und daraus gleichzeitig eine Lovestory voller Sehnsucht nach Nähe und unterdrückter Begierde gemacht. Prägen zu Beginn für einige Zeit noch die Langsamkeit des Alltäglichen und die ermüdende Eintönigkeit des Lebens weitab vom Puls des Lebens den Film, so entwickelt er von Akt zu Akt ein gleichmäßig steigendes Tempo. Somit folgt er auf recht raffinierte Weise dem inneren Druck, den P. Adam verspürt, sich zu seiner Sexualität zu bekennen und der von allen Verschleierungsmaßnahmen in seiner Umgebung immer schlechter in Zaum gehalten werden kann. Wie zum Drüberstreuen zitiert die Regisseurin in kurzen Sequenzen zwischendurch immer wieder religiöse Symbole aus der sakralen Kunst und inszeniert z.B. das Ausbrechen P. Adams ähnlich der Auferstehung Christi nach der Grabesruhe am Morgen des dritten Tages, das Wechseln der Rollen zwischen Adam, dem gefühlvollen, sensiblen Mann, der den Jugendlichen mit großem Einsatz zu einem besseren Leben verhelfen will und dem Kaplan P. Adam, der im schwarzen Talar eine Rolle mit ebenso großer Verantwortung ausfüllen will und an der Spannung zwischen den Anforderungen beider Welten schließlich zerbricht. Es ist ihr sehr gut gelungen, die Sehnsucht nach Nähe, Liebe und Geborgenheit als eine zutiefst menschliche zu zeigen und dabei ihre Kritik an der Kirche, aber auch der Gesellschaft in Bezug auf Homosexualität geschickt und exakt dosiert einzubauen, ohne dabei ins Flegelhafte oder Gewöhnliche abzugleiten. „In The Name Of...“ ist daher ein sehr gelungener, aber relativ schwieriger Film, den man unbedingt zu Ende sehen muss, um ihn im Nachhinein von Anfang an erst richtig zu verstehen. Aber vielleicht ist gerade dieses Konzept eine weitere Anspielung an die Theodizee? Vielleicht können wir alle erst nach Ende unseres Lebens verstehen, warum die Welt so ist, wie wir sie erlebt haben?
 
 

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