Cold

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Forumseintrag zu „Cold“ von patzwey

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patzwey (13.02.2013 23:57) Bewertung
Kalt und kompromisslos
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
„Du machst was eine Frau macht und ich mache was ein Mann macht“, sagt ein jähzorniger junger Türke frei übersetzt zu seiner gerade erst geheirateten Ehefrau, die ihn weinend bittet, sich nicht mit anderen Frauen zu vergnügen, nachdem er sie wieder einmal geschlagen hat. Doch die im Film porträtierten Männer haben ihre ganz eigenen Vorstellungen von den Aufgaben von Frauen und Männern, die aus westlicher Perspektive unglaublich erscheinen. Dennoch erzählt der Film nicht die Geschichte dieses aggressiven und kaltherzigen jungen Mannes, sondern die seines scheinbar reiferen Bruders Balabey. Was die Geschichte um so stärker macht. Dieser sympathischere Bruder ist auch scheinbar der bessere Ehemann. Doch auch er betrügt seine schwangere Frau wiederholt mit einer Prostituierten, in die er sich auch noch Hals über Kopf verliebt. Doch mehr und mehr fressen ihn seine Untreue, seine Selbstzweifel und die Unerreichbarkeit seiner Liebe von innen auf.

„Cold“ spielt dabei in eisiger Landschaft. Genauer gesagt in der tief verschneiten türkischen Provinz Anatolien. Doch nicht nur Titel und Handlungsort des Films sind kalt. Denn auch der Stil ist ebenso von Kälte geprägt, wie auch kompromisslos. Man muss schon sehr genau hinsehen, um irgendwo zwischenmenschliche Wärme erkennen zu können. Doch auch, wenn die Handlungen der Figuren stets vom Streben nach Wärme geprägt sind und die Männer diese Wärme im Bordell suchen, steht letztendlich jeder für sich alleine. Denn egal, ob es sich um eine Interaktion zwischen den verheirateten Paaren, zwischen den Brüdern oder zwischen Balabey und der russischen Prostituierten handelt: Alle scheinen trotz körperlicher Nähe meilenweit voneinander getrennt zu sein. Dabei lebt „Cold“ vor allem von seiner großartigen Atmosphäre (die durch eine tolle Kombination von Kamera und Sounddesign entsteht) und dem stark geschriebenen Drehbuch, das durch eine geschickte Aufbereitung der Geschichte, eine ebenso harte wie gelungene Kritik an Gewalt gegen türkische Frauen formuliert und noch dazu ein überzeugendes Gesellschaftsporträt liefert.
 
 

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