Gnade

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Forumseintrag zu „Gnade“ von patzwey

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patzwey (16.02.2012 23:58) Bewertung
Schuld und Vergebung am Polarkreis

Der Mensch ist ein zähes Tier und kann auch von den unwirtlichsten Umgebungen dieser Erde fasziniert sein. So kann auch ein eisiger Ort nahe dem Polarkreis, wo zwei Monate im Jahr keine Sonne scheint, zu seiner Heimat werden. Eine feindselige Gegend voll Schnee und Eis, die jedes Leben abzustoßen scheint, aber im Mensch eine unerklärliche Sehnsucht hervorrufen kann. Dieses ambivalente Verhältnis wird auch in den Bildern des Films widergespiegelt, die die eisige und todbringende Natur als wunderschönes Schauspiel in Szene setzen. Bilder, die die weite kalte Landschaft und die beklemmende Dunkelheit in ästhetische Kunstwerke umwandeln. Inmitten dieser unwirtlichen Natur liegt das kleine norwegische Dorf Hammerfest, wo sich die deutschen Auswanderer Niels und Maria zusammen mit ihrem Sohn angesiedelt haben. Ihnen gelingt es dabei überraschend gut sich in der Fremde zurechtzufinden und sich zu integrieren. Doch auch gute Menschen können in manchen Situationen schlimme Dinge tun – egal, ob sie es beabsichtigen oder nicht. Maria fährt ein Mädchen an, doch in der Einöde gibt es keine Zeugen – außer den Zusehern im Kino. Sie kommt zwar vom Gesetz ungestraft davon, doch muss sie nun mit dieser Bürde leben. Ihr eigenes Gewissen ist die größte Strafe und das Kinopublikum beurteilt auf Schritt und Tritt ihre Taten. Soll man gestehen oder nicht und kann einem überhaupt Gnade widerfahren? Schuld und Vergangenheitsbewältigung lauten die Schlagworte einer Geschichte, in der auch Ehemann und Sohn jeweils mit ihren eigenen Gewissensbissen kämpfen müssen.

Bei diesen philosophischen Fragen über den Menschen und seine Natur geht der Film jedoch etwas zu offensiv und offensichtlich vor. Die Auseinandersetzung mit der Schuld wird zum Kochrezept einer vorhersehbaren Handlung. Auch wenn einiges rätselhaft bleibt, wird insgesamt zu viel direkt vor der Kamera gezeigt. Wie Figuren sich auseinander leben und sich wieder finden, wie sie Gewissensbisse verspüren und um Vergebung bitten. Schauspielerisch erfolgt dies mit oft theatral entfremdeten Gesten – diese theatrale Spielweise, die oft auf lange Monologe aufbaut, betrifft jedoch nicht nur den Burgtheaterstar Birgit Minichmayr, sondern auch Jürgen Vogel - wobei man die Entfremdung des Schauspiels auch mit der sozialen Entfremdung der Figuren in Verbindung bringen kann.
 
 

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