In the Land of Blood and Honey

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Forumseintrag zu „In the Land of Blood and Honey“ von patzwey

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patzwey (11.02.2012 23:58) Bewertung
Angelina Jolies Regiedebüt

Dass sich Angelina Jolie seit Jahren intensiv für die Menschenrechte in den verschiedensten Regionen der Erde einsetzt ist kein Geheimnis. Dieses Bemühen führt sie nun konsequent auf der Leinwand fort. Überraschenderweise allerdings nicht vor der Kamera, sondern dahinter. Kurzum: Angelina Jolie führt Regie. Und hat noch dazu auch das Drehbuch selbst geschrieben.

Für ihr Debüt hat sie sich obendrein noch ein sehr heikles und schwieriges Thema ausgesucht: Den Bosnienkrieg. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine der grausamsten und blutigsten Auseinandersetzung seit dem 2. Weltkrieg, sondern auch um einen der komplexesten und undurchsichtigsten Kriege überhaupt. Außergewöhnlich ist auch, dass Jolie ihren Debütfilm in einer Sprache dreht, von der sie kein Wort versteht. Vielmehr ließ sie ihr Drehbuch von den SchauspielerInnen selbst übersetzen, was für mehr Authentizität sorgen soll.

Bei der Darstellung des Krieges greift sie zu einem altbewährten Hollywoodtrick: Die Vergangenheit wird geglättet und es wird eine lineare Heldengeschichte über Liebe, Opfer und Schmerz erzählt. Damit schreibt sich Jolie in die Tradition von Erfolgsfilmen wie z.B. "Schindlers Liste" oder zahlreichen anderen historischen Filmen ein.

Die Bildsprache von „In the Land of Blood and Honey“ erinnert über weite Strecken an die Darstellungskonventionen und visuellen Codes, wie sie gerne in der Darstellung von Juden und Nazis verwendet werden. Auf der einen Seite stehen die Opferlämmer. Diese lassen sich wehrlos zur Schlachtbank führen. Auf der anderen Seite stehen die Täter – unmenschliche Bestien ohne Gewissen. An dieser Stelle tun die leider etwas zu seltenen Szenen in "In the Land of Blood and Honey" immer wieder sehr gut, in denen sich die Bosnier gegen die Gewalt auflehnen und sich nicht nur hilflos hinrichten und vergewaltigen lassen. Noch dazu kommt, dass dieser Widerstand meist durch eine Frau erfolgt, was eine recht gelungene Erzählperspektive darstellt. Allgemein ist dieser gesamte Punkt der weiblichen Darstellung positiv anzumerken, da Frauen – vor allem aber Hauptdarstellerin Zana Marjanovic – in dieser Geschichtsdarstellung im Mittelpunkt stehen. Dieser Fokus auf eine weibliche Perspektive wird von manchen Filmhistorikern gerne als „Becoming Visible“ bezeichnet – also als das Sichtbarwerden der Frauen in der Geschichte. Relativierend muss man aber eingestehen, dass Jolie diese weibliche Sichtweise wohl auch gewählt hat, weil die Massenvergewaltigungen aus weiblicher Sicht den Krieg noch schrecklicher erscheinen lassen.

Als Regisseurin schlägt sich Jolie recht respektabel. Nur manche Dialoge wirken hölzern und Figuren erscheinen im Bildausschnitt oft etwas statisch und verloren. Das Drehbuch scheitert letztendlich aber anhand der Tragweite und der Schwierigkeit des Projekts. Es gibt zwar viele gute Ansätze, insgesamt versteift sie sich aber zu sehr auf eine Kriegsromanze mit zu vielen erklärenden Dialogen (warum haben wir Krieg) und zu stereotypen Charakteren, wie z.B. dem bösen Vater, der die Grausamkeit des Krieges verkörpert, oder zahlreichen Figuren, die ihre Legitimation nur in ihrer Rolle als Opfer haben. Die Gut-Böse Zeichnung fällt somit zu plakativ und konservativ aus – da helfen auch eingefügte Alibi-Figuren nichts, die immer wieder ins Gedächtnis rufen sollen, dass alle Menschen gleich sind und auch Serben ein Herz haben.

Jolie als Regisseurin und Drehbuchautorin kann sich auch nie wirklich zwischen Lovestory und Kriegsdrama entscheiden. Sie will beides vereinen, was jedoch nur bedingt gelingt. Vor allem die Liebesgeschichte ist hölzern und auch nicht wirklich nachvollziehbar. Die Grenze zwischen Zweckgemeinschaft und wahrer Liebe ist hier zwar fließend, in den Kontext der Kriegsgeschichte passt das ganze aber trotzdem nicht.

Fazit:
Beachtliches Regiedebüt von Angelina Jolie, die letztendlich aber mit den Schwächen ihres zu naiven, zu konservativen und zu langatmigen Drehbuches zu kämpfen hat. Hier übersteigen Größe und Tragweite des Projektes dann doch Jolies künstlerische Möglichkeiten. Man darf jedoch schon darauf gespannt sein, wenn diese Regisseurin sich in Zukunft einmal dem Stoff eines guten Autors widmet.
 
 

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