Wie man leben soll

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Forumseintrag zu „Wie man leben soll“ von barry egan

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barry egan (07.03.2015 20:26) Bewertung
Geniale Wundertüte aus der Schalko-Blase
Habe mich letztens auf Flimmit registriert und einen Code für einen Gratisfilm-Stream erhalten, der nur eine Woche gültig ist. Nach Durchforsten der sehr durchwachsenen Filmauswahl habe ich den Code dann für „Wie man leben soll“ verbraten.
Bei seinem Anlaufen im Kino 2011 hatte ich nur einen Trailer und das Interview mit dem Hauptdarsteller Axel Ranisch in „Willkommen Österreich“ gesehen (nebst kurzem Filmausschnitt) und schätzte den Film als Blindgänger ein. Filme, in denen der Hauptdarsteller synchronisiert wird und eine Überzahl an Stars Kleinauftritte hat, sind meistens schlecht. Oh, wie lag ich falsch!
Von Beginn weg, mit der verbindlichen Erzählerstimme und verspielten Collagegrafiken, die die Lebensjahre bis zur Matura darstellen, setzt Schalko ein hohes Niveau. Thomas Maurer und David Schalko haben Thomas Glavinics skurrile Autobiographie eines „Sitzers“ im Ton von Lebenshilferatgebern gekonnt für die Leinwand adaptiert, das Drehbuch wimmelt nur so von witzigen Sätzen, die man sich auf der Zunge zergehen lassen möchte („Wüst du mi ausgreifen?“, „Interessierst di du fia goa nix?“, „Merke: Roberto Blanco ist ein dufter Kerl.“).
Von Karl Ludwig „Charlie“ Kolostrums Matura 1988 über sein ausgedehntes Kunstgeschichtestudium bis zum Jobben als Taxifahrer und der unverhofften Chance, sein Gesangstalent zu vergolden, reicht ein episodenhafter Reigen von Nebendarstellern mit einer All-Star-Cast der Bobo-Kleinkunst- und Schauspielszene. Das Studentenleben wird dabei sehr lebensnahe vermittelt. John Lennon, Immanuel Kant und Che Guevara kommen auch vor. Schalkos Stilbewusstsein zeigt sich in seiner vollen Ästhetik, wenn immer wieder Figuren frontal und schön symmetrisch ausgerichtet in die Kamera sprechen oder ein Joint bei einer WG-Party von der Kamera begleitet durch ein Dutzend Hände wandert. Großartig auch die Montage, bei der Charlie durch die mittleren 90er-Jahre wandert und die Plattencover seiner jeweils aktuellen Lieblingsalben gezeigt werden. Für mich ist „Wie man leben soll“ die genialste österreichische Komödie seit „Nacktschnecken“. Muss man aber mögen! Ach, ich könnte noch lange über die diversen Schauspieler weiterschwärmen (Josef Hader, Maria Hofstätter, Manuel Rubey, Robert Stadlober, Karls Freundinnen, es sind zu viele!).
 
 

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