Lacombe Lucien

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Forumseintrag zu „Lacombe Lucien“ von 8martin

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8martin (16.05.2017 10:37) Bewertung
Aus Liebe zu Frankreich
Ein typischer Louis Malle Film. Er setzt sich ganz unspektakulär mit der NS Zeit in Frankreich auseinander. Es ist ein tragisch menschliches Drama, das seine Größe aus Andeutungen und Hinweisen bezieht. Ganz subtil wird anschaulich deutlich, wie ein zielloser, Halt suchender Bauernjunge (Titel) in die Arme der Nazis getrieben wird. Als ungebetener Gast und inzwischen Vertreter der örtlichen Gestapo nistet sich Lucien (Pierre Blaise) bei dem jüdischen Schneider Horn (Holger Löwenadler) ein und verliebt sich in dessen Tochter France (Aurore Clément). Ihr Name hat Symbolcharakter. Er ist quasi die Besatzungsmacht von Frankreich.
Am Rande bekommen wir ähnlich wie Lucien mit, dass gefoltert wird und wie die Nazis die einheimische Bevölkerung beklauen. Es sind aber nicht nur die Deutschen, die hier die ‘Schweine‘ vom Dienst sind, es sind französische Kollaborateure. Lucien wird zum Verräter. Im Hause Horn entwickelt sich ein Drama: der Vater und die Großmutter Bella (Therese Giehse) lehnen Lucien strikt ab, France arrangiert sich mit ihm und nutzt die Vorteile, die Lucien bietet (z.B. keine Mieterhöhung). Fein nuanciert werden kulturelle Unterschiede deutlich: France spielt die Mondscheinsonate, Lucien hingegen setzt sich mit seinem breiten Hintern auf die Tastatur. Wenn er Champagner anbietet, schüttet die Oma ihn weg. Sie redet nicht mit ihm. Als er sich mit ‘Gute Nacht‘ verabschiedet, antwortet sie mit ‘Bon soir‘. In seinem Dorf darf er sich nicht mehr blicken lassen, sagt seine Mutter. Sie hatte einen kleinen schwarzen Sarg zugeschickt bekommen. (die Resistance kennt die Kollaborateure!). Vater Horn beschimpft seine Tochter als ‘Hure‘ und geht smart gekleidet ins örtliche NS Hauptquartier. Er verarscht die Nazis – ein Himmelfahrtskommando.
Lucien schläft mit France in der Folterkammer. Sie scheint sich zu opfern. Als France und Bella abgeführt werden sollen, hilft Lucien ihnen und flieht mit ihnen aufs Land. Ein kurzes Idyll. Der Abspann klärt uns mit kühler Distanz über Luciens zukünftiges Schicksal auf. Hinter France und Bella bleibt ein Fragezeichen.
Die vielen kleinen Details ergeben ein eindrucksvolles Zeitbild und gewähren einen Einblick in Frankreichs Vergangenheit, in der es sich nicht mit Ruhm bekleckert hatte.
Wichtig!
 
 

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