An ihrer Seite

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Forumseintrag zu „An ihrer Seite“ von Harry.Potter


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Harry.Potter (14.02.2007 17:50) Bewertung
Briefe aus Island

Die junge kanadische Schauspielerin Sarah Polley (Jahrgang 1979) präsentiert hier auf der Berlinale ihren fünften Kinofilm, zu dem sie auch das Drehbuch verfasst hat. Als Vorlage dient ihr die Kurzgeschichte "The Bear Came Over the Mountain" von Alice Munro. Sie erzählt mit großer Empathie die Geschichte eines Liebespaares, das über den Lauf von 44 Jahren sämtliche Hochs und Tiefs ihrer Beziehung durchgemacht, aber einander niemals “verwunschen”, wie sie es ausdrückt, haben. Zwei Menschen, die sich einerseits sehr an einander gewöhnt haben und andererseits einander trotz allem, was sie bis ins Alter hinein an Schwierigkeiten durchmachen, lieben. Grant muss lernen, dass er seiner Frau wohl nie mehr so nahe sein wird können, wie er es lange Zeit war und dass er auch vieles von dem, was ihn aus seiner Jugendzeit im Gewissen wieder einholt, gut machen kann, weil die Zeit dafür vorbei ist.

Der Film spielt die ganze Zeit über im Winter, es liegt Schnee überall, die Eiszapfen hängen über der Eingangstüre des Hauses, wer nach draußen will, muss sich warm anziehen. Der Winter erscheint wie eine Metapher für die letzte Jahreszeit des Lebens, als der Ausklang eines Jahreskreises, die einer Lebensspanne voller Energie, Farbenpracht und Ausgelassenheit folgt. “Away from her” ist gefühlvoll erzählt und überzeugend gespielt von Julie Christie als Fiona. Regisseurin Sarah Polley hält die Balance zwischen Melancholie und Hoffnung, zwischen dem Festhalten an den moralischen Überzeugungen und dem gleichzeitigen Wissen um die Unausweichlichkeit der Lage, angesichts derer sich die Angehörigen trotzdem eingestehen müssen, dass sie selber immer noch am Leben sind und dass ihr Leben noch eine Zeit lang weiter geht. Ein Leben, dass sie für sich und somit indirekt auch für die Menschen, die sie lieben, nützen sollten.

In der Rolle eines Zuschauers meiner Generation mischen sich Erinnerungen aus der persönlichen Erfahrung mit alten Menschen aus der Familie, die an Alzheimer erkrankten mit der generellen Frage, wohin das Leben eines jeden, einer jeden Einzelnen gehen wird. Natürlich wissen wir das nicht und das ist auch gut so. Der Film regt aber zum Nachdenken darüber an, was man sich vom eigenen Leben erwartet und was von all dem, was wie anstreben am Ende das sein wird, das uns erhalten bleibt.

“Away from her” ist kein Film für einen unterhaltsamen Samstagabend, schon gar kein Film zur Ablenkung von den Problemen des Alltags. Und er wirkt zwischendurch mit seinem Wechsel zwischen den Welten “Cottage” und “Pflegeheim” wie eine Mischung aus Dokumentation und Spielfilm. Aber er macht irgendwie Mut, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass “da draußen” jemand sein könnte, der auch dann zu einem hält, wenn die äußere Schönheit vergangen und die jugendliche Energie, Bäume auszureißen einer bescheidenen, kompromisslosen Nähe Platz gemacht hat.
 
 

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