Das Jahr als meine Eltern im Urlaub waren

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Forumseintrag zu „Das Jahr als meine Eltern im Urlaub waren“ von Harry.Potter

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Harry.Potter (10.02.2007 00:01) Bewertung
Auf den Tormann kommt es an.

Brasilien im Jahre 1970. Ein kleines Dorf, irgendwo im Hinterland. Murao, ein kleiner Junge von 8 Jahren, spielt auf dem Tisch in der Küche sein Lieblingsspiel: Tischfussball mit Kunststoff-Chips und Zigarettenschachteln als Tormänner. Die Tormänner sind es, auf die es ankommt, und denen niemals auch nur ein Fehler verziehen wird, weiß schon er. Er ist ein begeisterter Fußballfan. Heute jedoch kann er seine Partie nicht zu Ende spielen, denn etwas ist nicht in Ordnung. Seit einiger Zeit schon wartet seine Mutter beim Fenster auf seinen Vater, der sie alle abholen soll. Sie werden auf Urlaub fahren, irgendwo hin. Und es würde auch nicht lange dauern, für die Schule wären sie wieder rechtzeitig zurück. Es ist eine lange Fahrt, die sie vor sich haben: nach Sao Paulo, zwei Tage mit dem VW Käfer seiner Eltern, zu seinem Großvater. Es wird aber kein gemeinsamer Urlaub, sondern seine Eltern würden alleine weiter fahren, er solle bei seinem Großvater bleiben. Völlig überrascht und verwirrt, bleibt Murao nichts Anderes übrig, als zuzusehen, wie seine Eltern im Auto weiterfahren und ihn vor der Haustüre, mitten in einem Viertel voller eingewanderter Juden, zurück lassen, deren Kultur ihm völlig fremd ist. Des Unglücks noch nicht genug, stellt sich heraus, dass sein Großvater soeben verstorben ist und sich niemand um ihn kümmern kann. Ein Nachbar nimmt ihn schließlich bei sich auf, das ist jedoch alles leichter gesagt, als getan ...

Rund um die Ereignisse der legendären Fußball-Weltmeisterschaft von 1970, in der Brasilien zum dritten Mal den Meistertitel holte, entfaltet Regisseur Cao Hamburger eine Geschichte über das Fremdsein im eigenen Land unter Menschen, mit einer ganz anderen Kultur, einer anderen Sprache, fern weg von der vertrauten Umgebung, aus der Sicht eines jungen Buben. Es ist dies aber auch das Jahr der Revolution in Brasilien, die die herrschende Diktatur stürzen und eine kommunistische Regierung an die Macht bringen wollte. Politische und sportliche Erdbeben ereigneten sich also im Jahre 1970 und unter den Kommunisten gab es zahlreiche Opfer. Aus den Augen dieses kleinen Kindes, das die Welt nicht mehr versteht rund um sich herum, erzählt der Film eine schwierige Zeit der brasilianischen Geschichte. Dabei überzeugen einerseits die Schauspieler, egal, ob jung oder alt, die behutsame, sehr anspruchsvolle, aber niemals selbstverliebte Kameraführung und das hochintelligente und bei allem Ernst der Geschichte auch unterhaltsame Drehbuch. Der Fußball als einerseits die Völker und Kulturen verbindende Sportart, die wie keine andere Macht in dem Land damals wie vielleicht auch heute noch das Potential hat, Streitigkeiten und Probleme beiseite zu schieben und sich gemeinsam über den Sieg des eigenen Landes zu freuen, ganz egal, ob man Jude, Christ, Eingewanderter oder Einheimischer ist.

Bei der Pressekonferenz betont auch der Regisseur noch einmal, dass es in Brasilien wohl viele andere Probleme gibt, die noch immer nicht gelöst wurden, aber dass der Rassismus in seinem Land kein Thema wäre. Für ihn ging es darum, dieses politisch und sportlich so wichtige Jahr zu einem Film zu verarbeiten. Er meint auch, dass es wohl keinen Portugiesen seines Alters gibt, der die Mannschaftsaufstellung der 11 von damals nicht noch im Schlaf auswendig wüsste und er beweist es auch, in dem er spontan auf die Frage eines Journalisten wirklich alle 11 aufzählen kann.
 
 

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