La vie en rose

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Forumseintrag zu „La vie en rose“ von Harry.Potter


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Harry.Potter (08.02.2007 23:50) Bewertung
Ein Leben wie ein Chanson: lieblich, aber bitter zugleich.

Paris, Montmarte, rund um das Jahr 1935. Es ist ein bedeckter Tag über dem Künstlerviertel. Zwei junge Frauen stolpern über den Bürgersteig dahin. Sie tragen abgenutzte Mäntel, deren ursprüngliche Farbe Hellgrau nur noch entfernt zu erahnen ist. Die eine von ihnen hält eine Flasche Wein in der Hand, aus der sie abwechselnd trinken. Sie sind ausgelassen, offensichtlich schon etwas betrunken und kümmern sich nicht besonders um die Menschen rund um sie herum. Manche drehen sich nach ihnen um, sie sind aber zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, als dass sie sich wirklich über die beiden ärgern würden. "Komm, sing mit mir!" sagt die eine zur anderen, "denn wenn ich alleine dort stehe, ist es Bettleln, wenn wir zu zweit dort sind, dann ist es eine Aufführung." Was wie eine "bsoffene Gschicht" klingt, ist eine Szene aus dem Leben einer der wohl berühmtesten und beliebtesten Sängerinnen Frankreichs, die, wie viele andere ihrer Zunft auch, ganz, ganz unten auf der gesellschaftlichen Skala ihre Karriere begann. Das Talent hatte sie von ihrer Mutter in die Wiege gelegt bekommen, ihr wohl einziges Geschenk, das sie ihr jemals machen würde. Mütterliche Fürsorge, Wärme und die Geborgenheit eines Zuhause, wurden ihr nie zuteil. Ihre Mutter, selbst eine Sängerin, kümmerte sich nicht um sie und auch ihr Vater konnte sich nicht um sie kümmern, weil er als Soldat im Ersten Weltkrieg kämpfte. So wuchs sie im Bordell ihrer Großmutter in der Normandie auf, die sie aber auch nur widerwillig bei sich aufgenommen hatte. Die schweren Krankheiten während ihrer Kindheit, die sie immer wieder plagten, ließen ihre Spuren an ihrem Körper, aber auch an ihrer Seele zurück. In dieser Zeit, in der sie durch eine Hirnhautentzündung für lange Zeit blind gewesen war, hält sie nur ihr kindlicher Glaube an den Schutz der Heiligen Therese von Lisieux und die liebevolle Pflege durch Titine, eine der Prostituierten in dem Bordell, am Leben. Erst als sie im Alter von 10 Jahren mit ihrem Vater (einem Zirkusartisten) gemeinsam durch die Lande zieht, entdeckt sie, dass sie mit ihrer makellosen, bezaubernden Stimme mehr Geld verdienen kann als er ...

Regisseur Olivier Dahan (u.a. "Die purpurnen Flüsse 2") hat, wie er selber bei der Pressekonferenz sagt, keine klassische, detaillierte Biographie über Edith Piaf gedreht, sondern einen Film über ihr Leben. Er wollte den Menschen Edith Piaf in den Mittelpunkt stellen, ihre schwierige Kindheit, ihren Kampf um Liebe und Anerkennung und ihre kompromisslose Leidenschaft für ihren Gesang, der bis zur völligen Selbstaufgabe ging. Selbst, als sie vor lauter Schmerzen nur noch unter Morphium auftreten kann, schlägt sie den Rat ihrer Ärtze und ihrer engsten Freunde in den Wind und geht auf die Bühne, um zu singen. Dort fühlt sie sich sicher, dort wird sie geliebt, als der "Spatz" (Piaf heißt nämlich "Spatz") mit der einmaligen Stimme. Eine Liebe, die sie in ihrem Privatleben nur ein einziges Mal gefunden hatte und die ihr, durch einen tragischen Unfall, genommen wurde. Immer wieder pendelt die Handlung zwischen Edith Piafs grausamer Kindheit, der Zeit ihres Aufstiegs zur Meisterin des Chansons und ihrem tragischen Ende im Alter von nur 47 Jahren hin und her. Momente des größten Glücks werden kontrasiert mit Augenblicken von Schmerz, des Ausgenutztwerdens und ihrer größten Angst: dem Alleinsein. Der Film lebt von der unvergeßlichen Stimme Edith Piafs, aber vor allem von der grandiosen Leinwandpräsenz von Marion Cotillard (zuletzt auch in "A good Year" an der Seite von Russel Crowe im Kino zu sehen). Sie verschmilzt mit ihrer Rolle und läßt so Edith Piaf für gut zweieinhalb Stunden im Kino wieder auferstehen. Eine Leistung, mit der sie ganz gewiß im Rennen für einen der begehrten goldenen Bären mit dabei sein wird.

Auch der übrige Film kann auf jeden Fall als gelungen bezeichnet werden. Handwerklich glänzt das gesamte Ensemble mit hervorragenden Leistungen, auch Gérard Depardieu in der kleinen Nebenrolle des Entdeckers von Edith Piaf, Louis Leplée, überzeugt. Die Lieder Edith Piafs schweben über dem ganzen Film wie ein unsterbliches Vermächtnis. Da verzeiht man dem Film auch die eine oder andere Länge, die sich immer wieder mal kurz zu Wort meldet und auch seinen emotionalen Schluss.
 
 

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