Tagebuch eines Skandals

Bewertung durch Harry.Potter  100% 
Durchschnittliche Bewertung 78%
Anzahl der Bewertungen 22

Forumseintrag zu „Tagebuch eines Skandals“ von Harry.Potter


uncut_profilbild_558ce708a7.jpg
Harry.Potter (12.02.2007 21:58) Bewertung
Der vielleicht beste Film läuft außer Konkurrenz

“So viele Menschen haben mir immer ihre Geheimnisse anvertraut, aber wem kann ich vertrauen? Dir (mein Tagebuch) kann ich vertrauen ...” Mit diesen Worten beginnt der Film und zeichnet Barbara als eine Frau fortgeschrittenen Alters, die abseits ihrer Arbeit an der Schule keine richtigen Freunde hat, denen sie sich anvertrauen könnte. Alles, was sie rund um sich erlebt, alle Menschen, die ihr begegnen, beobachtet sie mit ungeheurer Neugier und analysiert scharfsinnig ihr Verhalten. Die Schüler mögen sie zwar nicht besonders, aber sie respektieren sie. Auch unter den Kollegen gilt sie als so etwas wie eine moralische Autorität, die über jeden Zweifel erhaben ist. Sheba hingegen hat von Anfang an Schwierigkeiten, sich bei den Schülern durchzusetzen und auch unter den Kollegen im Lehrkörper interessieren finden ihre weiblichen Reize mehr Interesse als ihre Kompetenz im Unterricht. Als eines Tages zwei Schüler in ihrer Klasse sich zu prügeln beginnen, sieht sie sich endgültig überfordert und erst Barbara, die zufällig vorbei kommt, kann die Situation in den Griff bekommen. Es ist der Beginn einer Freundschaft zwischen zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die eine von jener stereotyp britischen Steifheit und Distanziertheit, die andere aus einem politisch eher links anzusiedelnden, liberalen Umfeld, die im Alter von rund 16 Jahren mit ihrem Professor an der Kunstuni eine Affäre begann und ihn auch später heiratete. Aber gerade diese Gegensätze, die Natürlichkeit Shebas fasziniert Barbara von Anfang an und lässt sie nicht aufhören, ihren Plan zu verfolgen: sie will sie als IHRE Freundin, ganz für sich alleine und ist bereit, dafür alles zu tun.

Auf der Basis des gleichnamigen Romans von Zoe Heller hat Drehbuchautor Patrick Marber ein herausragendes Drehbuch verfasst. Es meistert den Spagat zwischen der Affäre Shebas mit ihrem Schüler und dem Stalking, das Barbara bei ihr betreibt und aus dem sie, erpressbar durch ihr dunkles Geheimnis, nicht ausbrechen kann, ohne Kopf und Kragen zu riskieren. Aber nicht nur das: über den ganzen Film hinweg hält er ein derart hohes sprachliches und strukturelles Niveau aufrecht, dass es eine Freude ist. Kaum, dass sich die Zuschauer darüber im Klaren sind, wer von den beiden die Gute und wer die Böse ist, dreht sich das Blatt um 180 Grad und die hinterlistige, teuflische Strategie Barbaras wird sichtbar.

Aber die Stärke des Filmes liegt nicht nur in seinem Drehbuch, sondern auch in der hohen Kunst der Schauspielerinnen und Schauspieler: allen voran Judi Dench und Cate Blanchett, dicht gefolgt von Bill Nighy als Sheba Ehemann und in gleich dahinter, in seiner ersten Spielefilmrolle, der erst 18 Jahre junge Andrew Simpson als Shebas junger Liebhaber, der sie nach Strich und Faden um den Finger wickelt. Es sieht ganz danach aus, als ob der wohl beste Film hier nicht im Wettbewerb läuft, sondern außer Konkurrenz. Das ändert aber nichts daran, dass er für viel Aufregung sorgen und Judi Dench eine weitere große Chance auf viele begehrte Preise verschaffen wird.

Bei der Pressekonferenz gibt es nicht enden wollenden Jubel für Judi Dench und Cate Blanchett. Auf die Frage, wie sie es geschafft hätten, diese so glaubwürdige, intime Atmosphäre zwischen den beiden Frauen darzustellen, antwortet Dame Judi: “Wir hatten zwei Wochen Proben.” Die Tatsache, dass sie von der Queen in den Adelsstand erhoben wurde (“Dame” ist das Gegenstück zum “Sir”, Anm.), hätte für sie an der Art, wie die Menschen mit ihr umgehen, nicht viel geändert. Im Gegenteil: gerade in den USA wissen die Leute nicht, wie sie sie ansprechen sollen, denn eine “Dame” ist dort eine Bezeichnung für einen Travestiekünstler. Wie sie betont, mag sie solche Shows sehr gerne, aber es gäbe immer wieder Verwechslungen. Eine andere Kollegin möchte wissen, wie viel von Judi Dench in Barbara Covett zu finden wäre. Sie antwortet: “Als meine Katze starb, war ich auch für mehrere Tage völlig unansprechbar und am Boden zerstört.”

“Notes On A Scandal” besticht mit der klaren, und bis ins Detail intelligent ausgearbeiteten Geschichte, den herausragenden Schauspielerinnen und Schauspielern und einer gefühlvollen, aber niemals langatmigen, abschweifenden oder sensationssüchtigen Regie von “Iris”-Regisseur Richard Eyre. Faszinierend, mitreißend, einfach großartig.
 
 
 
Harry.Potter (12.02.2007 21:58)
Der vielleicht beste Film läuft außer Konkurrenz

“So viele Menschen haben mir immer ihre Geheimnisse anvertraut, aber wem kann ich vertrauen? Dir (mein Tagebuch) kann ich vertrauen ...” Mit diesen Worten beginnt der Film und zeichnet Barbara als eine Frau fortgeschrittenen Alters, die abseits ihrer Arbeit an der Schule keine richtigen Freunde hat, denen sie sich anvertrauen könnte. Alles, was sie rund um sich erlebt, alle Menschen, die ihr begegnen, beobachtet sie mit ungeheurer Neugier und analysiert scharfsinnig ihr Verhalten. Die Schüler mögen sie zwar nicht besonders, aber sie respektieren sie. Auch unter den Kollegen gilt sie als so etwas wie eine moralische Autorität, die über jeden Zweifel erhaben ist. Sheba hingegen hat von Anfang an Schwierigkeiten, sich bei den Schülern durchzusetzen und auch unter den Kollegen im Lehrkörper interessieren finden ihre weiblichen Reize mehr Interesse als ihre Kompetenz im Unterricht. Als eines Tages zwei Schüler in ihrer Klasse sich zu prügeln beginnen, sieht sie sich endgültig überfordert und erst Barbara, die zufällig vorbei kommt, kann die Situation in den Griff bekommen. Es ist der Beginn einer Freundschaft zwischen zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die eine von jener stereotyp britischen Steifheit und Distanziertheit, die andere aus einem politisch eher links anzusiedelnden, liberalen Umfeld, die im Alter von rund 16 Jahren mit ihrem Professor an der Kunstuni eine Affäre begann und ihn auch später heiratete. Aber gerade diese Gegensätze, die Natürlichkeit Shebas fasziniert Barbara von Anfang an und lässt sie nicht aufhören, ihren Plan zu verfolgen: sie will sie als IHRE Freundin, ganz für sich alleine und ist bereit, dafür alles zu tun.

Auf der Basis des gleichnamigen Romans von Zoe Heller hat Drehbuchautor Patrick Marber ein herausragendes Drehbuch verfasst. Es meistert den Spagat zwischen der Affäre Shebas mit ihrem Schüler und dem Stalking, das Barbara bei ihr betreibt und aus dem sie, erpressbar durch ihr dunkles Geheimnis, nicht ausbrechen kann, ohne Kopf und Kragen zu riskieren. Aber nicht nur das: über den ganzen Film hinweg hält er ein derart hohes sprachliches und strukturelles Niveau aufrecht, dass es eine Freude ist. Kaum, dass sich die Zuschauer darüber im Klaren sind, wer von den beiden die Gute und wer die Böse ist, dreht sich das Blatt um 180 Grad und die hinterlistige, teuflische Strategie Barbaras wird sichtbar.

Aber die Stärke des Filmes liegt nicht nur in seinem Drehbuch, sondern auch in der hohen Kunst der Schauspielerinnen und Schauspieler: allen voran Judi Dench und Cate Blanchett, dicht gefolgt von Bill Nighy als Sheba Ehemann und in gleich dahinter, in seiner ersten Spielefilmrolle, der erst 18 Jahre junge Andrew Simpson als Shebas junger Liebhaber, der sie nach Strich und Faden um den Finger wickelt. Es sieht ganz danach aus, als ob der wohl beste Film hier nicht im Wettbewerb läuft, sondern außer Konkurrenz. Das ändert aber nichts daran, dass er für viel Aufregung sorgen und Judi Dench eine weitere große Chance auf viele begehrte Preise verschaffen wird.

Bei der Pressekonferenz gibt es nicht enden wollenden Jubel für Judi Dench und Cate Blanchett. Auf die Frage, wie sie es geschafft hätten, diese so glaubwürdige, intime Atmosphäre zwischen den beiden Frauen darzustellen, antwortet Dame Judi: “Wir hatten zwei Wochen Proben.” Die Tatsache, dass sie von der Queen in den Adelsstand erhoben wurde (“Dame” ist das Gegenstück zum “Sir”, Anm.), hätte für sie an der Art, wie die Menschen mit ihr umgehen, nicht viel geändert. Im Gegenteil: gerade in den USA wissen die Leute nicht, wie sie sie ansprechen sollen, denn eine “Dame” ist dort eine Bezeichnung für einen Travestiekünstler. Wie sie betont, mag sie solche Shows sehr gerne, aber es gäbe immer wieder Verwechslungen. Eine andere Kollegin möchte wissen, wie viel von Judi Dench in Barbara Covett zu finden wäre. Sie antwortet: “Als meine Katze starb, war ich auch für mehrere Tage völlig unansprechbar und am Boden zerstört.”

“Notes On A Scandal” besticht mit der klaren, und bis ins Detail intelligent ausgearbeiteten Geschichte, den herausragenden Schauspielerinnen und Schauspielern und einer gefühlvollen, aber niemals langatmigen, abschweifenden oder sensationssüchtigen Regie von “Iris”-Regisseur Richard Eyre. Faszinierend, mitreißend, einfach großartig.
  uncut_profilbild_558ce708a7.jpg
Harry.Potter (13.02.2007 23:07) Bewertung
Unbedingt!
Der Film lebt sehr von den mit spitzer Zunge formulierten Tagebucheinträgen! Auch Andrew Simpson mit seinem kernigen Akzent gibt dem Film eine eigene Note. Ob er im Royal wirklich laufen wird, bleibt zu hoffen...

zum gesamten Filmforum von „Tagebuch eines Skandals“
zurück zur Userseite von Harry.Potter