Last Breath

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Forumseintrag zu „Last Breath“ von Filmgenuss

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Filmgenuss (10.06.2025 19:18) Bewertung
Überleben unter Druck
Verlernt man tauchen genauso wenig wie radfahren? Falls ich mich nochmal einem Buddy Check unterziehen sollte, müsste ich garantiert einiges an Praxis nachholen, nur um dann womöglich erst festzustellen, dass mich diese Art Sport wohl immer noch in Panik versetzt. An Riffkanten in tropischen Meeren entlangzutauchen ist eine Sache, die andere ist, in kalten österreichischen Gewässern, die wenig Sichtweite haben, so zu tun, als hätte dieses Nichts, in das man taucht, seinen Reiz. Hatte ich schon, brauche ich nicht mehr. Andere beunruhigt so ein Umstand gar nicht. Wie zum Beispiel den Industrietaucher Chris Lemons. Der würde sich wundern, wenn ich ihm erzähle, wie wenig mich ein Tauchgang im Trüben abholen kann. Andere lieben das, womöglich auch er, denn nach dieser heftigen True Story, die Lemons hier erlebt hat, wieder auf 300 Fuß in die Tiefe zu steigen, um weiter an den Pipelines herumzuschrauben, als wäre nichts gewesen, klingt nach Obsession. Hut ab vor so viel Leidenschaft, die in diesem Fall psychisches wie physisches Leiden geschaffen hat, aber Menschen wie er, das sind eben Grenzgänger, zu denen ich nicht gehöre.

Dieser einzigartige Vorfall, über welchen Dokufilmer Alex Parkinson hier in Spielfilmform berichtet, liegt seiner Dokumentation mit dem Titel Der letzte Atemzug: Gefangen am Meeresgrund zugrunde. Mag sein, dass es diese Form der Dramatisierung gar nicht gebraucht hätte, doch wenn man den Film aus 2019 nicht kennt, bietet diese True Story mit namhaften Schauspielern natürlich die geschmeidige Erzählweise dramatisierter Stoffe. In Last Breath wird auf unpathetische Weise ein Arbeitsunfall rekonstruiert, der so fern zu unserem eigenen Schaffensspektrum liegt, dass er alleine schon aufgrund seiner basisschaffenden Routinesituation eine gehörige Portion Respekt abverlangt. Parkinsons Film erzählt in klarer, schnörkelloser Chronologie eine menschliche Katastrophe und feiert zugleich das verblüffende Wunder sich gegenseitig bedingender physikalischer Gesetze. Anders als bei Balthasar Kormákurs Überlebensdrama The Deep über einen Fischer, der stundenlang im nur 5 Grad kalten Wasser vor Island überlebt hat, obwohl er nach einem Bootsunglück Kilometer um Kilometer an die Küste geschwommen war, lässt sich das, was in Last Breath passiert, zumindest nicht als Anomalie erklären.

Die Luft ist zwar draussen, aber nicht im Film

Dieser Taucher also, Chris Lemons, macht sich mit fünf Tagen Vorlaufzeit an die Arbeit, da er schließlich mitsamt seines Teams in eine Dekompressionskammer gesteckt wird, um sich überhaupt erst dem Druck von 300 Fuß anzupassen. Die Arbeit am Meeresboden selbst beträgt dann sechs Stunden, doch in dieser Zeit kann vieles passieren – wie zum Beispiel ein heftiges Unwetter, welches an der Oberfläche tobt und das Mutterschiff an seine Grenzen bringt. Wenn die Bordelektronik ausfällt, lässt sich der Kahn nicht mehr an seiner Position halten, an diesem hängt aber die Taucherglocke, an der wiederum hängen die Taucher – und schon passiert es. Die Luftzufuhr wird gekappt, Chris schleudert es ins Nichts.

Wie er es dennoch schafft, ohne Sauerstoff in dieser Finsternis und Kälte zu überleben, wie Woody Harrelson und Simu Liu (Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings) alles daransetzen, ihren Kollegen zu retten und was Cliff Curtis als Kapitän der Bibby Topaz oben inmitten des Sturms alles wagt, um niemanden zurückzulassen, beantworten knapp hundert Minuten fesselndes Survivalkino, die so packend erzählt sind wie jene des semidokumentarischen Bergsteigerdramas Sturz ins Leere von Kevin McDonald. Alleine schon die Parameter, die für so einen Tauchgang geschaffen werden müssen, sind erstaunlich. Eine Notfallaktion wie diese lässt dabei doppelt die Luft entweichen – bei Finn Cole als Taucher Chris und beim Publikum, das erstmal unweigerlich den Atem anhält.

Zwischen Weltraum und finsteren nautischen Tiefen gibt es kaum mehr einen Unterschied. Last Breath wird zu Gravity unter Wasser. Pragmatisch zwar, aber akkurat und aufregend allein durch seine Umstände. Alex Parkinsons Thriller entspricht der Summe seiner Teile, heruntergebrochen auf Fakten und menschliche Dramen, die diese begleiten.


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