Heldin

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Forumseintrag zu „Heldin“ von Maverick87

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Maverick87 (18.02.2025 14:55) Bewertung
Die täglichen Bürden der systemrelevanten Pflegerinnen
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
Ein aufrüttelndes Portrait, das eine Pflegefachkraft während einer ereignisreichen Abendschicht begleitet. Eine großartig aufspielende Leonie Benesch muss sich um eine Reihe schwerkranker Patienten kümmern.

Als ob die Handlung des Films die Problematik im Spitals- und Pflegebereich der Gegenwart nicht schon verständlich macht, wie prekär sich der akute Fachkräftemangel an Pflegerinnen und Pfleger auf Personal, Ärzte und vor allem Patienten auswirkt, endet „Heldin“ von Autorin und Regisseurin Petra Volpe mit einer Reihe von Texteinblendungen, die noch einmal mit statistischen Fakten aufzeigt, wie schwierig es ist, eine adäquate und effiziente Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen sicherzustellen. Volpe nahm dies als Anlass, einen Film über eine Krankenpflegerin zu inszenieren, den sie passenderweise „Heldin“ betitelt hat.

Der Zuschauer begleitet die junge Floria (Leonie Benesch) von ihrem Weg in ein Kantonkrankenhaus in der Schweiz, wo sie im dritten Stock die Spätschicht innehat, bis hin zu ihrer Heimfahrt im Bus. Neben ihr sind nur ihre Kollegin Bea (Sonja Riesen) und die noch unerfahrene Amelie (Selma Aldin) in der Station, weil eine andere Kollegin krankheitsbedingt ausfällt. Dadurch hat Leonie gleich acht Zimmer mit rund einem Dutzend Patienten zu beaufsichtigen, von denen jeder erhöhte Aufmerksamkeit und Pflege benötigt. Ständig läutet ihr Telefon, immer wieder kommt ihr etwas dazwischen. Herr Leu (Urs Bihler) etwa wartet dringend auf einen ärztlichen Befund von Frau Doktor Strobel (Nicole Bachmann), der aber auf sich warten lässt. Ein neuer Patient trifft verspätet zu seinem OP-Termin ein und muss noch für den Eingriff vorbereitet werden. Und dann ist da noch ein todkranker Privatpatient, der Leonie mit seinen Sonderwünschen auf Trab hält. Und obwohl sie sich aufopfernd und verständnisvoll um jeden ihrer kümmert, nimmt der Stress mit der Zeit immer mehr zu. Schließlich unterläuft ihr auch noch ein Fehler.

„Heldin“ ist ein wichtiger Film, der aufzeigt, wie viel Bürde man einer Pflegefachfrau auferlegt, wenn es einmal zu einem Personalnotstand kommt. Spätestens während der COVID19-Pandemie, während der es zu flächendeckenden Lockdowns gekommen war, um eben genau sie vor einer Überlastung durch noch mehr infizierte Patienten zu schützen, ist diese brisante Thematik nicht mehr zu verleugnen. Dabei, und das ist schon sehr erschreckend, wenn man sich diesen Fakt einmal vor Augen führt, wird es früher oder später jeden von uns einmal betreffen, wenn wir als Patienten in ein Krankenhaus eingeliefert werden und behandelt und versorgt werden müssen. Unserer derzeitigen Gesellschaft fehlt es schlicht und ergreifend an Respekt, Wertschätzung und Anteilnahme am Wohlbefinden unserer Pflegefachkräfte. „Heldin“ zeigt dies sehr anschaulich anhand seiner Protagonistin, der die Kamera nie von der Seite weicht.

Deswegen ist die Performance von Leonie Benesch auch umso höher einzuschätzen, als sie es ohnehin schon ist, denn sie schultert dieses intensive und spannende Drama von der ersten bis zur letzten Minute famos. Dass sie das Zeug zu einer vielseitigen Charakterdarstellerin hat, durfte sie ja bereits in ihrer preisgekrönten Rolle in „Das Lehrerzimmer“ (2023) von İlker Çatak unter Beweis stellen – auch dies eine erschütternde Charakterstudie über eine stille Heldin in unserer Gesellschaft. Als aufmerksamer Zuschauer leidet und fiebert man mit ihr mit, wie sie von Krankenbett zu Krankenbett eilt und alles Menschenmögliche unternimmt, um ihre Patienten zu versorgen. Man lacht bei erheiternden Momenten und wird emotional mitgenommen von den tragischen. Am Ende ihrer Schicht hat man das Gefühl, einer empathischen und kompetenten Pflegerin über die Schultern geschaut zu haben, der man gerne selbst in einem Krankenhaus über den Weg laufen möchte.

Petra Volpe blickt authentisch, subtil und ungeschönt auf den hektischen Alltag eines überforderten Krankenhauses und liefert einen wichtigen, weil aktuellen und brisanten Diskussionsbeitrag zum Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich. Dank einer sympathischen Leonie Benesch bleibt der Film im Gedächtnis.
 
 

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