Rituelle Inszenierung von Gemeinschaft
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE Von der Erde aus, aus der Perspektive des Bodens, tauchen wir aus nächster Nähe in die wildromantische Natur im Westen Schottlands ein. Eine torkelnde Gestalt tastet sich auf einem halluzinogenen Trip mit gänzlich offenem Empfinden an die Welt der Pflanzen, Insekten und Kleintiere heran. Der farbig pulsierende Himmel und das reflektierende Wasser umgeben ihn, und das Leben scheint in sich vollständig zu sein. Die Natur mit all ihren Elementen ist als Protagonistin durchgehend stark präsent, nicht zuletzt durch die lebhafte Körnung der analogen Film-Textur.
Bei der nächtlichen Rückkehr in seine Dorfgemeinschaft wird der junge Walter unsanft aus seinem entrückten Bewusstseinszustand herausgerissen: Eine brennende Scheune muss gelöscht werden, es herrscht Panik und Entsetzen. Nach dem erschöpfenden gemeinschaftlichen Einsatz wird die Frage nach Schuld gestellt, die sich in unterschiedlicher Form durch den gesamten Film zieht. Ein Trio von Neuankömmlingen wird von den Bewohnern fraglos an den Pranger gestellt und gewaltsam für die vermeintliche Tat bestraft. Die Geschicke dieser Gemeinschaft werden vom Gutsherren Master Kent dominiert. Er hat einen fürsorglichen, aber auch wachsamen Blick auf die Bauern und ist sich nicht zu schade, auch mal selbst mit anzupacken. Es ist das Ende der Saison, und so wird geerntet, verarbeitet und gefeiert. Mit Master Kent kommt eines Tages Quill, ein Kartograf, der das Land, das so sorgfältig gepflügt und geliebt wird, auf Papier festhalten soll. In der Dorfgemeinschaft regt sich Misstrauen, was sich hinter der Tätigkeit des Kartografen verbirgt – „Die wollen eine Zaun um unser Land bauen!“. Und früher, als es sich Master Kent vorstellen möchte, taucht der eigentliche Besitzer des Landes, Master Jordan, auf und plant, es mit Hilfe seines Gefolges aus der Stadt für sich lukrativ zu machen. Das Buch von Jim Crace, auf dem der Film basiert, spielt im 16. Jahrhundert, während der Anfänge der Enclosure-Bewegung in der englischen Landwirtschaft. Dabei wurde vorher gemeinschaftlich genutztes Land von privater Seite eingefriedet und intensiver genutzt, um die Kommerzialisierung der britischen Landwirtschaft voranzutreiben. Quill teilt mit Walter die Hingabe zur Schönheit der Natur, der ganzheitlichen Lebensweise und deren zirkulären Strukturen. Doch obwohl er selbst nur einen Auftrag erfüllt, trägt er auch zu deren unaufhaltsamen Veränderung bei.
Wir beobachten den Prozess aus der Perspektive von Walter Thirsk, der, wie die Zuschauer des Films alles beobachtet, ohne einzugreifen. Einnehmend gespielt wird dieser vom genialen Caleb Landry Jones, der schon eine Neigung zu Charakteren an der Grenze zum Wahnsinn hat (z.B. in „To the Night“, 2018). Der Film zieht einen mit in einen rauschhaften Zustand, der sich von seiner schönen, wie auch grausamen Seite zeigt.
Es ist spürbar, wie sich Regie und Kamera hier intensiv in der Vorbereitung Zeit genommen haben, um auf die Landschaft und die lokale Bevölkerung einzugehen und sich beim Drehen des Films auf einen intuitiven Tanz mit den Darstellern eingelassen haben.
Die Natur mit all ihren Elementen ist als Protagonistin durchgehend stark präsent, nicht zuletzt durch die lebhafte Körnung der analogen Film-Textur, und so zieht einen der Film mit in einen rauschhaften Zustand, sowohl im schönen als auch im grausamen.
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