Jeder kocht für sich allein
Abgesehen davon, dass ich, wäre ich in New York, am Time Square wohl nicht meinen Lunch Break einnehmen würde, sind diese Läden doch im Zentrum der Stadt mit Sicherheit heillos überteuert: Ich würde wohl kaum einen – wie sagt man in unseren Kreisen so schön – Fresstempel wie diesen entern, um mir kulinarische Massenware einzuverleiben. Die Touristenfalle The Grill ist schließlich eine jener Örtlichkeiten, in denen Leute aus aller Welt ihren Zwischenstopp einlegen, um von Pommes über Schnitzel bis Hummer alles zu konsumieren, was die Küche hergibt. Und die scheint wie eine Vorhölle, die, wie man zu Beginn gleich wahrnimmt, nur wenigen Standards folgt, um eine gewisse Qualität zu gewährleisten. Nein, in The Grill würde ich nicht essen gehen wollen. Vielleicht liegt das auch daran, dass in La Cocina – Der Geschmack des Lebens alle Speisen, die man zu Gesicht bekommt, in desaturiertem Schwarzweiß erscheinen. Das regt so gar nicht den Gusto an. Und wenn dann noch während der Rush Hour, zu welcher im Sekundentakt die Bestellungen reinflattern, allerorts die überschäumenden Bierdosen geöffnet werden, sind die Hygienevorschriften dahin. So wie hier mag es vermutlich an vielen Orten öffentlicher Verpflegung zugehen, infolgedessen wünscht man sich, lieber unwissend zu bleiben als den Köchinnen und Köchen über die Schulter zu sehen.
In The Grill ist nicht nur Chaos Küche angesagt: Auch die Belegschaft ist eine, die Donald Trump wohl längst aus seinen Staaten komplimentiert hätte: Marokko, Dominika, Mexiko – die Küche ist ein Schmelztiegel der illegalen Immigration, aus aller Herren Länder suchen sie hier Arbeit, die sie mit ein klein wenig Küchen-Know-How meistern wollen. Einer dieser Illegalen ist Pedro, zentrale Figur des Films und kein Kind von Traurigkeit. Vorallem nicht, wenn es darum geht, anderen Kollegen auf die Nerven zu gehen. Pedros exaltierte, verrückte Art stiftet Chaos, noch dazu erwartet Kellnerin Julia (Rooney Mara) von dem Kerl ein Kind – was sie aber um nichts in der Welt bekommen will. Und als ob das noch nicht alles wäre: Obendrein wird Pedro verdächtigt, 800 Dollar aus den täglichen Einnahmen entwendet zu haben, um Julia die Abtreibung zu finanzieren. Man sieht: an diesem kalten Wintertag in einem gar nicht so intellektuell-elitären Manhattan, wie Woody Allen es sich vorstellt, kommt alles zusammen, potenzieren sich der Frust, die Hoffnung und die Enttäuschungen zu einer emotionalen Eruption, die alle Parameter einer funktionierenden Gesellschaft aushebeln.
The Kitchen heisst die theatralische Vorlage von Arnold Wesker, einem britischen Schriftsteller und Dramatiker. Spielfilm-Debütant Alonso Ruizpalacios packt in diese Verfilmung so gut wie alles, was Donald Trump sauer aufstößt. La Cocina – Der Geschmack des Lebens ist ein Anti-Küchen- und Anti-Gesellschaftsfilm für einen Autokraten wie ihn, es scheint fast, als würde sich dabei nicht nur der Frust des Antihelden entladen, sondern auch jener von Ruizpalacios. Dabei verliert dieser im Wulst seiner dramatischen Begebenheiten sowohl Richtung als auch Fokus, und sowieso schon gleich anfangs die Sympathie für eine Person, die nur danach bettelt, hochkant nicht nur aus der Küche, sondern auch aus den Staaten und überhaupt aus dem Film zu fliegen. Einen Gefallen tut Ruizpalacios den Migrantinnen und Migranten angesichts dieser enervierenden Färbung seiner Figuren beileibe nicht. Auch wenn sie von ihren Träumen erzählen, die entgegen aller Klischees ernüchternd genügsam ausfallen – Zeit, um den inneren Empfindungen des zahlreichen Ensembles nahezukommen, gibt es trotz der überlangen Laufzeit, die mitunter so durchhängt wie das geschundene Küchenpersonal, keine. La Cocina ist ein toxisch-sozialer Kriegsschauplatz, ein Winden und Drängen und Funktionieren. Trotz der warmen Herdplatten fehlt jedoch die menschliche Wärme, als wäre die Küche kalt und Ehrgeiz sowieso nichts wert. Wenn das Leben so schmeckt, will man es eigentlich nicht probieren.
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