Wenn ein erfundenes Märchen als Biografie gehalten wird
Amadeus ist schon ein erstaunliches Phänomen. Bei anderen Historienfilmen wird rauf und runter genörgelt wie verzerrt es doch die tatsächlichen Ereignisse und Personen darstellen würde. Napoleon, Columbus, Alexander, Sisi, Steve Jobs um nur ein paar zu nennen. Doch nicht so bei „Amadeus“, da liest man immer wieder mal das wäre ja eine biografische Verfilmung. Ich kann mir das nur so erklären dass hier noch viel weniger Menschen jemals mit Mozarts Biografie in Berührung gekommen sind und halt ziemlich naiv vom Wahrheitsgehalt des Films ausgehen.
Es fängt ja schon beim Titel an, da Mozart sich selbst nur sehr selten im Spaß „Amadeus“ nannte. Meist unterschrieb er in Briefen mit „Amadé“ aber das ist noch die kleinste Abweichung.
Der Film basiert auf das gleichnamige Theaterstück von Peter Shaffer. Sein Anliegen war offensichtlich hier eine besondere Dramatik zu erfinden, weniger den Leuten Geschichtsunterricht zu geben. Das wird zwar so manchen überraschen, aber das gelang ihm auch mittels eines Rollentausches. Salieri hatte in Wahrheit die von Mozart begehrte Position als Kapellmeister der kaiserlichen Hofmusikkapelle, während der Salzburger von irgendeiner Festanstellung nur träumen konnte und sich vergeblich darum bemühte. Zudem war der gebürtige Italiener ein anerkannter Pädagoge welcher im Laufe seiner Karriere u.a. auch so bekannte Namen wie Schubert, Beethoven oder Liszt unterrichtet hatte. Der im Film dargestellte Junggeselle ist obendrein unzutreffend da er in Wahrheit Familienvater war.
Diese verzerrte Darstellung betrifft aber nicht nur Sailieri. Zwar hatte Mozart durchaus eine infantile Seite, diese wurde aber in der Geschichte bewusst überzeichnet und die ganze Person als eindimensionaler, einfältiger Charakter dargestellt. Tatsächlich zeigte sich Mozart in einigen Briefen auch als reflektierter, nachdenklicher Mensch und in seinem Privatbesitz waren nachweislich auch wissenschaftliche Bücher. Klar ist es einer interessanten Geschichte weitaus dienlicher eine Figur zwischen Genie und Wahnsinn zu konstruieren, nur ist es interessant dass dieses dann sehr oft unhinterfragt als Fakt angenommen wird. Ist es die generelle Faszination an Menschen mit Inselbegabungen und das automatisch immer anzunehmen wenn jemand in etwas überdurchschnittlich gut ist?
So nebenbei sind auch bestimmte Gegebenheiten frei erfunden: Salieri saß nie an Mozarts Totenbett, Constanze hat ihn nicht wegen einem Streit verlassen oder Salieri um Hilfe gebeten, es gab keine Magd die ihn ausspioniert hatte, ein Neid von Salieri ist höchstens spekulativ und noch einiges mehr.
Als Märchenfilm mit Mozart-Bezug ist er gut inszeniert. Ich mag die Drehorte und natürlich auch die Musik, die Geschichte ist gut erfunden. Doch genau das scheint manchen nicht bewusst zu sein wenn man sich so manche Internet-Kommentare durchliest.
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