Inside

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Forumseintrag zu „Inside“ von Primum


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Primum (18.03.2023 17:40) Bewertung
Überlebenskampf in der Luxuswohnung
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
Welche Dinge würden wir mitnehmen, wenn unsere Wohnung in Flammen steht und nicht viel Zeit bleibt? Das heißt, was ist uns wirklich wichtig im Leben? Und welchen Stellenwert kann die Kunst dabei einnehmen? Mit „Inside“ präsentiert der griechische Regisseur Vasilis Katsoupis sein Spielfilmdebüt, das sich diesen und ähnlichen Fragen widmet. Dabei setzt er auf eine simple, aber spannungsgeladene Drehbuchidee und vertraut vor allem auf die Fähigkeiten seines Hauptdarstellers.

Nemo (Willem Dafoe) ist Kunstdieb, einer der besten seines Fachs. Daher wird er damit beauftragt, als Handwerker verkleidet, in das Penthouse eines Sammlers einzubrechen und die wertvollsten Gemälde zu stehlen. Das Problem: Ausgerechnet das Selbstportrait von Egon Schiele, das Nemos Auftraggeber besonders wichtig, weil wertvoll ist, hängt nicht am erwarteten Platz. Das viel größere Problem: Bei der verzweifelten Suche nach diesem Selbstportrait wird das Sicherheitssystem aktiviert, Nemo verliert den Kontakt zu seinem Auftraggeber und sitzt nun in der Luxuswohnung fest.

Statt wie zu Beginn anzunehmen, entspinnt sich also kein klassischer Heist-Film, in dem wir Nemo bei seinen gekonnten Einbrüchen begleiten. Stattdessen sehen wir ihm dabei zu, wie er immer verzweifelter versucht, aus dem zum Gefängnis gewordenen Penthouse wieder auszubrechen. Dabei ist er völlig auf sich allein gestellt, die einzige Verbindung zur Außenwelt sind die Überwachungskameras, auf denen er gelegentlich eine Reinigungskraft beobachtet. Man wünscht sich irgendwann, der Besitzer der Wohnung möge zurückkehren, um Nemo wenigstens aus dieser Situation zu erlösen.

Dass dieses Konzept – ein Mann allein in einem begrenzten Raum – funktioniert und nicht langweilig wird, liegt zum einen daran, dass der Begriff Wohnung die Ausmaße des Penthouses nicht angemessen beschreibt. Mit seinen vielen, großen und mit zahllosen Kunstwerken behangenen Räumen gleicht Nemos Gefängnis eher einem Museum. Vor allem aber trägt Willem Dafoe dieses Ein-Mann-Stück. Auch in den etwas zäheren Momenten wird die ständig anwachsende Verzweiflung, die Resignation und der Überlebenswille deutlich. Die unzähligen Versuche, irgendwie einen Weg aus der Wohnung zu finden, weichen der ebenso verzweifelten Suche nach Wasser und Essen, bei der kreative Lösungen gefragt sind. Ein singender Kühlschrank wird zum Running Gag und das Gefühl für Zeit geht vollkommen verloren. Wie lange Nemo schon gefangen ist? Man kann höchstens erahnen, dass inzwischen mehrere Wochen und Monate vergangen sein müssen, während Nemo dem Wahnsinn immer näherkommt.

Neben einer spannenden Inszenierung und einem großartigen Willem Dafoe überrascht „Inside“ aber vor allem auch dadurch, dass er sich nicht auf eine vereinfachte Kunstkritik herunterbrechen lässt. Klar, die millionenschweren Gemälde, die das Penthouse zieren, können Nemo in seiner misslichen Lage nicht vor dem Verhungern oder Verdursten retten und wirken in dieser Überlebenssituation daher eher fehl am Platz. Aber so einfach macht es sich der Film nicht. Statt die Kunst als absurd und unnütz lächerlich zu machen, ist „Inside“ bei genauerer Betrachtung ein Plädoyer für die Kunst, die auf vielfältige Weise mit dem Leben in einen Austausch treten kann.
 
 

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