Tótem

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Forumseintrag zu „Tótem“ von cinemarkus


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cinemarkus (26.02.2023 08:27) Bewertung
Dias de la familia
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
Nach ihrem sehr erfolgreichen Debüt „The Chambermaid“ gewährt uns Lila Avilés mit „Totem“ einen berührenden Einblick in die mexikanische Kultur und ihren Umgang mit dem Sterben.

Ein großes Haus, überall herrscht völliges Chaos. Alle befinden sich mitten in den Vorbereitungen zu einem großen Fest. Über diesem hängt leider der Schatten des Todes. Aber lange kein Grund zum Verzweifeln…

Aus meiner Beschreibung geht (mit Absicht) nicht ganz hervor auf wen sich die Geschichte konzentriert, und irgendwie doch. Genau wie beim Film selbst. Wer erwartet mit einer bestimmten Hauptfigur mitzugehen, könnte enttäuscht werden. Die fehlt beinahe ein bisschen. Am ehesten könnte man der kleinen Sol diesen Status zusprechen, sie begleiten wir von der Eröffnungssequenz an wohl am meisten. Aber eben nicht nur. Im Grunde genommen geht es genau darum die ganze Familie zu zeigen. In ihre Gefühlswelt tauchen wir dadurch nicht tief ein, nur wie sie mit der aktuellen Situation umgehen. Sols Vater leidet nämlich an Krebs im Endstadium. Das große Fest soll seinen Geburtstag begehen, der vielleicht sein letzter sein könnte, also auch gleichzeitig ein Abschied sein. Im Tod zelebrieren sie das Leben.

Etwas das man sich als Mitteleuropäer kaum vorstellen kann. Allein durch die internationale Bekanntheit des „Dia de los muertos“ wissen wir zwar wie die Mexikaner mit der Thematik des Sterbens umzugehen wissen; hier ist dies jedoch förmlich erlebbar. Das Leben sieht man auch deutlich an der reichhaltigen Tierwelt die zahlreich im Mittelpunkt steht. Eine tiefere Bedeutung hat sich mir nicht offenbart, aber es fällt definitiv auf, insgesamt konnte ich etwa acht verschiedene Tierarten zählen, die jeweils kurz in den Fokus gerückt wurden.

Dass aber gerade alles auseinander zu brechen droht ist nicht nur am vorherrschenden Chaos spürbar (Als jemand der auch aus einer großen Familie kommt, bei deren Feiern es mitunter so zugeht, konnte ich mich da besonders hineinversetzen). Wie sie sich von Scharlatanen und Esoterikern ausnutzen lassen, verleiht dem Drama zwischendurch ein bisschen Komik, zeigt aber wie sehr sie sich doch an jede Hoffnung klammern. Auf der Familie scheint fast schon ein Fluch zu liegen; die Großmutter starb an Krebs, der Großvater ist von Krankheit gezeichnet.

„Totem“ beginnt dazu mit einem extrem intimen Moment, nämlich auf der Toilette, und stellt damit sofort klar: das hier wird eine sehr persönliche Geschichte. Gewidmet hat sie die Regisseurin ihrer eigenen Tochter, sie wurde selbst jung Mutter. Ob es einen biografischen Hintergrund gibt, konnte ich nicht ganz erfahren, ist aber auch irrelevant. Der Film strahlt durchgehend eine so familiäre Atmosphäre und Wärme ab, dass man sich einfach selbst geborgen fühlt. Der unglaubliche Realismus wird ihm nicht zuletzt durch den Einsatz von viel Handheld-Kamera in 4:3 Format und einem sehr warmem Farbspektrum verliehen. Man fühlt sich einfach als ob man eine echte Familie begleitet, als wäre es eine Dokumentation.

Die fühlt sich aber auch deswegen so real an, wegen den großartigen schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten, allen voran natürlich die Kinderdarstellerin Naíma Sentíes als Sol, in einem fantastischen Debüt. Für die Regisseurin sind es vor allem sie, die die „Quelle der Kraft“ des Films ausmachen. Und das merkt man, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Denn wie sie sich bei der Pressekonferenz präsentiert haben, spiegelt diese familäre Beziehung total wider.
 
 

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