Sometimes I Think About Dying

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Forumseintrag zu „Sometimes I Think About Dying“ von Heidi@Home

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Heidi@Home (22.01.2023 16:17) Bewertung
Tristesse trifft Monotonie
Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
„Sometimes I Think About Dying“ basiert auf einem Kurzfilm aus dem Jahr 2019. Die Regisseurin Rachel Lambert erzählt die Geschichte von Fran (Daisy Ridley), einer jungen Frau um die 30, wohnhaft in einer Kleinstadt an der Küste Oregons, die zur Arbeit geht, ihr Essen in der Mikrowelle wärmt, im Stehen isst, Sudokus löst und früh zu Bett geht. Und die ihrer Fantasie diverse Todesarten durchspielt. Abgesehen vom Zusammentreffen mit ihren Arbeitskollegen hat sie kein nennenswertes Sozialleben. Und auch mit ihnen kommt sie kaum in Kontakt. Bis eines Tages ein neuer Mitarbeiter, Robert, seinen ersten Arbeitstag hat…

Einen Film „Sometimes I Think About Dying“ zu betiteln, scheint wie aus dem Handbuch für: Wie nenne ich meinen schrägen Indie-Film um in der Zielgruppe möglichst sophisticated rüberzukommen. Außerdem erinnert der Titel stark an „I’m Thinking of Ending Things“ von Charlie Kaufmann und auch wenn das Thema dort ein anderes ist, wirkt es wie eine etwas zu gewollte Anleihe. Darüber könnte man prinzipiell hinwegsehen, denn die Ausgangslage ist interessant: Fran ist mehr als introvertiert, spricht kaum, findet wenig Gefallen am Leben, wirkt aber auch nicht unbedingt depressiv oder tatsächlich lebensmüde, eher etwas autistisch, in ihrer eigenen Welt gefangen, weder glücklich noch unglücklich. Kann ein neuer Mensch, der in ihr Leben tritt, sie aus der Reserve locken?

Daisy Ridley, vornehmlich bekannt als Blockbuster-Star aus „Star Wars“, macht ihre Sache nicht schlecht. Sie ist zurückhaltend bis zur völligen Passivität, sie kommuniziert vornehmlich durch Blicke, Gesten, Körpersprache, sie lässt sich nicht in die Karten sehen, sie bleibt auf Distanz zu ihrer Umgebung. Umgekehrt ist Robert (der kanadische Stand-Up Comedian David Merheje) ein gemütlicher Typ, lustig, etwas tollpatschig, warmherzig und sensibel genug, um Fran so zu nehmen wie sie ist und sich behutsam an sie anzunähern. Auch er selbst hat seine Baustellen, was er unumwunden zugibt, während Fran ihn anschweigt.

Das alles passt soweit, aber die Geschichte kommt nicht so richtig vorwärts. Denn in einem Film, in dem so wenig gesprochen wird, generell kaum etwas an Handlung passiert, muss umso mehr über Bildsprache transportiert werden, müssten Stimmungen geschaffen werden, zwischen den Zeilen gelesen werden können. Doch tatsächlich geschieht wenig, außer die Wiedergabe einer gleichförmigen täglichen Routine, das Klicken der Computermaus, das Tippen auf einer Tastatur, Auto- und Menschengeräusche von Weitem, das beständige Rauschen des Meeres. Das Ganze zeichnet sich durch manchmal quälende Redundanz aus, eine Metaebene ist aber nirgendwo zu erkennen, bzw. so versteckt, dass sie sich dem Publikum nicht erschließt.

Die Geschichte eines Menschen zu erzählen, der mit dem Menschsein hadert, oder wie es im Film einmal ausgedrückt wird: „It’s hard being a person“ - ist es immer wert, denn auch wir Zuseher kämpfen täglich mit uns und unseren Themen. Aber man sollte dem Publikum auch die Möglichkeit geben, irgendwie zu „connecten“ und dazu wäre es schon wichtig, etwas mehr über Fran zu erfahren. Wenn schon nicht durch sie selbst, dann durch andere, durch den Wechsel der Erzählperspektive, durch Rückblenden, was auch immer; denn auch wenn man viele ihre Fantasien übers Sterben beobachten kann, dient das der Geschichte genauso wenig, wie manche Symbolik, etwa das Davonrollen eines Haufens verfaulter Äpfel, bei denen man an Orangen denkt, und in weiterer Folge an das Todesmotiv in „Der Pate“.

Über eine eigene nennenswerte Bildsprache verfügt „Sometimes I Think About Dying“ leider nicht, ebenso wenig über sonderlich originelle Dialoge. Und auch wenn die schauspielerischen Leistungen ambitioniert sind, können sie kaum bestehen, in dieser zu Zelluloid gewordenen Depression. Vielleicht eignen sich manche Stoffe aber auch einfach mehr für einen Kurzfilm und sind im Langformat genauso verloren wie Fran in ihrer stillen Kleinstadt.
 
 

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