Mickey 17

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Forumseintrag zu „Mickey 17“ von Maverick87


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Maverick87 (10.03.2025 14:32) Bewertung
Leben, Sterben, wieder von vorne.
Robert Pattinson lässt sich in diesem irrwitzigen Science-Fiction-Abenteuer des südkoreanischen Oscar-Preisträgers Bong Joon-ho als Mann für alle Unfälle anheuern.
Fünf Jahre ist es nun schon wieder her. Bei der 92. Oscar-Verleihung am 9. Februar 2020 schrieb die kleine, aber feine südkoreanische Tragikomödie „Parasite“ Filmgeschichte. Bong Joon-hos Werk, das im Jahr davor bereits die „Palme d’Or“ in Cannes gewonnen hatte, ging mit vier Oscars nach Hause, darunter auch „Bester Film“ – als erster nicht-englischsprachiger Film. Völlig verdient, denn mehr als nur ein klug konstruiertes Schelmenstück ist Bong auch eine überaus pointierte Sozialsatire gelungen, die das moderne Klassensystem amüsant auf die Schippe nimmt und die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich eindrücklich illustriert. Man denke dabei nur an die überschwemmte Kellerwohnung mit den Ratten. Das war, wie gesagt, vor fünf Jahren. Schon kurz nach seinem großen Triumph – Bong nahm alle vier Oscars persönlich entgegen, ihm werden jene für den Film, die Regie und das Drehbuch zuerkannt – stellte sich unter Cineasten die Frage, was er denn als nächstes zu tun gedenke.
Klar, dass da auch die großen Hollywood-Studios bei ihm anklopfen. Nun ist es soweit, und Bong Joon-ho meldet sich mit seiner bislang teuersten und aufwendigsten Produktion zurück. Für Warner Bros. Discovery hat er sich daran gemacht, den 2022 erschienenen Science-Fiction-Roman „Mickey7“ von Schriftsteller Edward Ashton leinwandtauglich zu machen. Dass Bong dabei Änderungen vornehmen würde, war abzusehen, die markanteste dürfte schon einmal der Titel sein: „Mickey 17“. Ein Genrewerk, das ganz und gar zu den Interessen und Sensibilitäten seines Regisseurs passt, denn bereits mit „The Host“ (2006), „Snowpiercer“ (2013) und „Okja“ (2017) hat er bewiesen, dass er das fantasievolle Erzählen wirklich gut kann und auch mit im Vergleich zu großen Blockbuster-Produktionen weniger verfügbaren Mitteln überzeugendes Effektkino kreieren kann. Mit „Mickey 17“ darf er sich nun erstmals an einer solchen Großproduktion versuchen, was dann aber auch unweigerlich die Frage aufwirft: Stellt sich einer der gefeiertsten internationalen Auteurs zum Ausverkauf und lässt sich von einem großen Hollywood-Studio vereinnahmen?
Die Antwort, so viel sei an dieser Stelle verraten, ist ein klares „Nein!“ Glücklicherweise gehen sowohl Regisseur als auch Studio wenig Kompromisse ein, und es entsteht ein gelungenes, ästhetisch anschauliches und über zwei Stunden gut unterhaltendes Science-Fiction-Abenteuer.
Die Handlung folgt dem glücklosen Michael Barnes (Robert Pattinson), von seinen Freunden Mickey genannt. Weil er auf der Erde mit seinem Kumpel und Geschäftspartner Timo (Steven Yeun) in finanzielle Nöte gerät, und sie keine Zukunft auf dem desolaten Planeten für sich sehen – 2054 ist die Welt aber auch wirklich am Arsch – melden sie sich für eine aufwendige Kolonialisierungsmission auf dem unwirtlichen Eisplaneten Niflheim, die vom schmierigen Politiker Kenneth Marshall (Mark Ruffalo), vergeblicher Senatorenkandidat, geleitet wird. Mickey meldet sich als „Expendable“, ein entbehrliches Crewmitglied, das allerhand haarsträubende und tödliche Aufgaben erledigt, um dem Team laufend neue Erkenntnisse zu liefern. Nach jedem Tod wird ein neuer Körper aus einem 3D-Printer gedruckt, und mit Mickeys Erinnerungen, die im Bordcomputer gespeichert werden, ausgestattet. Während der Mission verliebt er sich in die Sicherheitsbeamtin Nasha (Naomi Ackie). Dann aber, als seine 17. Inkarnation wie durch ein Wunder einen Sturz in eine Eishöhle überlebt und er zum Raumschiff zurückkehrt, wo er auf Mickey 18 trifft, gerät die Mission außer Kontrolle.
Robert Pattinson zweigeteilt auf der Leinwand zu sehen, macht wirklich viel Spaß. Dass er das Zeug zu einem überaus facettenreichen Charakterdarsteller hat, bewies er in den vergangenen Jahren bereits des Öfteren, und sein Mut bei der Rollenwahl macht sich immer wieder bezahlt. Auch hier, denn er versteht es, den schwarzen, abgründigen und stellenweise makabren Humor, den ihm Bong hier vorsetzt, überzeugend und pointiert zu spielen. Das Zusammenspiel der beiden Mickeys sorgt für viele witzige Momente, aber auch bewegende. An seiner Seite zeigt sich Ackie als starke, „No Nonsense“-Gespielin, die in einigen Szenen sogar ihre gestandeneren Schauspielkollegen gnadenlos an die Wand spielt. Einer von ihnen ist etwa der ebenfalls verlässliche Mark Ruffalo, dessen Performance sicher nicht ganz zufällig an den gerade wieder ins Amt gehievten US-Präsidenten erinnert. Er und Leinwandgattin Toni Collette sind so dermaßen überzeichnet und überkandidelt gespielt, dass man gar nicht glauben möchte, dass es solche Fieslinge im echten Leben geben kann, was die subtilen Parallelen umso erschaudernder macht.
Aber gerade das macht den gewohnt beißenden satirischen Witz Bongs aus, den er auch in „Mickey 17“ wieder ausspielen darf. Eine, gerade in unseren jetzigen politisch instabilen Zeiten, erschreckend aktuelle Parabel auf den Imperialismus und übermenschliche Allmachtsfantasien, zeichnet er subtil ein düsteres Bild der Menschheit anno 21. Jahrhundert, in dem das eigene Überleben und der eigene Nutzen über das Allgemeinwohl gestellt wird. Könnten wir mit einer fremden Spezies, sofern es eine solche in den Weiten des Weltalls gibt, überhaupt friedlich koexistieren? Wenn nicht, wer ist dann der Aggressor und wer der Unterlegene? Interessante Fragen, die der Film hier aufwirft. Im Kontext eines aufregenden, actiongeladenen Science-Fiction-Films umso mehr. Besonders im letzten Akt fahren Bong und sein Kameramann Darius Khondji ein den Genremaßstäben entsprechendes Feuerwerk an spannungsgeladenem Effektkino auf, das mit Blockbustern wie den „Dune“-Filmen oder „Marvel“- und „Star Wars“-Stangenware mithalten kann. Etwas Straffung hätte der Dramaturgie hier und da nicht geschadet.
Unterm Strich bleibt ein ausgesprochen unterhaltsames, bildgewaltiges und mit viel abgründigem Humor angereichertes Abenteuer, das beweist, dass wenn man einem visionären Regisseur das passende Material an die Hand gibt und ihn damit laufen lässt, man auch 2025 noch gutes Kino produzieren kann.
 
 

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