Nightmare Alley

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Forumseintrag zu „Nightmare Alley“ von Andretoteles

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Andretoteles (05.04.2022 11:16) Bewertung

Früher ein Autorenfilmer für fantastische Stoffe wie Hellboy oder den überaus unterschätzten Pans Labyrinth, gelangt Guillermo del Toro mehr und mehr in den Blick der Award Academys und Filmverbände. Während er mit The Shape of Water jedoch im Fantasy-Genre blieb und für diesen Streifen mit Preisen überhäuft wurde (u.a. Regie-Oscar), schafft der mexikanische Regisseur mit Nightmare Alley ein stilistisch stilsicheres Werk, welches Anleihen im Übernatürlichen findet, im Endeffekt aber eine in der Realwelt verhaftete Parabel über Gier, Täuschung und Hybris ist.

Wir verfolgen den Scharlatan Stan (gut gespielt von Bradley Cooper), der sich im Geschäft eines Jahrmarktes verdient macht und Erfahrungen sammelt. Später zieht er mit Molly (kommt leider zu kurz: Rooney Mara) in die große Stadt und wird von Lilith (nicht überraschend herausragend, hier als Femme Fatale: Cate Blanchett) in eine mysteriöse Beziehung aus Trug und Schein verwickelt. Langsam schreitet die Erzählung voran und zum Ende hin bei 150 Minuten Laufzeit ergeben sich Längen und der Film verliert das Publikum ein wenig. Die Unzuverlässigkeit des Erzählers spiegelt sich in einer Distanz zwischen Zuschauer: in und Hauptfigur wider, was dazu führt, dass der emotionale Kern des Films etwas fehlt. Die sichtbare Welt bleibt kalt. Mit traumhaften Rückblenden in Stans Leben soll dem Innenleben und der Vergangenheit von Stan ein stärkeres Gewicht verliehen werden, was jedoch nicht vollends gelingt.

Atmosphärisch überaus dicht inszeniert del Toro diesen Einblick in die 1930er Jahre. Die starke Kamera von Dan Laustsen (verdient Oscar-nominiert) gleitet sanft über den Boden, schwenkt quer zu Cate Blanchett im Spotlight und saugt uns mit Zooms in die Handlung und die zwiespältigen, interessanten Charaktere des Jahrmarkts. Zweites Highlight ist das Produktionsdesign. Auf dem Jahrmarkt fühlen wir uns völliger Authentizität ausgesetzt: magenverstimmende Präparate, dreckige Zelte und aufregende Ausstellungsobjekte ziehen den Blick auf sich. Später kommen kafkaeske expressionistische Bauten und Räume in der großen Stadt hinzu. Überzogen ist das Kamerabild von einer CGI-Patina, die teilweise übertrieben wirkt, insgesamt sieht der Film aber grandios aus. Insbesondere der erste Teil im Jahrmarkt kann sehr überzeugen, die Exposition gelingt, weite Landschaften und niedrige Kameraeinstellungen zeigen uns die überhöhten Menschen im Kontrast zu Umgebung, die persönliche Ebene soll auf eine höhere Ebene skaliert werden.

Neben den bereits erwähnten Figuren finden sich auch in den Nebenrollen exzellente Schauspieler:innen, die Besetzung kann sich sehen lassen. Willem Dafoe, Toni Collette, Ron Perlman und David Strathairn runden den Cast ab, der sich nichts vorwerfen kann. Eine sehr gute Leistung.

Fazit: Regie, Kamera, Szenenbild, Ästhetik, Besetzung – der Film hat seine klaren Stärken. Und seine Schwächen. Die Dramaturgie fesselt wenig, zum Ende hin mangelt es an einer spannenden Struktur. Ob durch Handlungen oder die Psyche der Personen, hier wäre mehr drin gewesen im Hinblick auf das Drehbuch. Der Stil übertrumpft die Handlung, weshalb der Film zwar sehenswert ist, letztendlich aber eher schneller als langsamer vergessen wird.
 
 

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