Doctor Strange in the Multiverse of Madness

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Forumseintrag zu „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ von Harry.Potter

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Harry.Potter (20.05.2022 13:28) Bewertung
Teuflisch-wahnsinniges Multiversum
Der Titel ist Programm: im neuen Abenteuer des MARVEL-Helden Dr. Strange verlagert sich die Wirklichkeit von einer auf unendlich viele denkbare Wirklichkeiten, in denen es immer die selben Gegner*innen auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichem Erfolg zu bezwingen gilt und: ja, natürlich auch diesmal steht das Ende der Welt bevor und muss verhindert werden.

An Bord ist diesmal auf dem Regie-Stuhl kein Geringerer als Sam Raimi, jener Regisseur, der für die ersten drei Spiderman-Filme mit Tobey Maguire in der Hauptrolle verantwortlich zeichnete. Er hatte es damals geschafft, mit starken Bildern und unvergeßlichen Szenen die Kinowelt zu beeindrucken und neue Maßstäbe zu setzen. Ich erinnere hier zum Beispiel an den "Spiderman-Kuss", der es inzwischen sogar bis in die Millionenshow geschafft hat oder an das (letzten Endes herausgeschnittene) Spinnennetz zwischen den TwinTowers des "alten" World Trade Centers in New York, in dem sich ein Helikopter verfangen hatte.

Aber wie so viele andere Regisseure vor ihm konnte sich Sam Raimi in diesen drei Filmen studiogebremst nur zum Teil entfalten und musste seine dunkle Seite hintanhalten, für die er in seinem grandiosen Meisterwerk "Tanz der Teufel" aus dem Jahre 1981 berühmt geworden war.

Jetzt scheint alles anders zu sein und nicht nur trägt Raimis Dr. Strange visuell unverkennbar seine Handschrift, sondern er wirkt geradezu so, als hätte sich hier ein kolossaler kreativer Rückstau vieler Jahrzehnte in einem einzigen Film entladen. Geister, Zombies, blutbeschmierte Hexen, psychische Abgründe in eine große Finsternis - alles hat er in diesen Film gepackt. Dazu kommt noch eine genauso große Ladung an bombastischen CGI-Szenen, wie wir sie aus dem MARVEL-Universum schon zur Genüge kennen und normalerweise auch lieben.

Klingt also alles irgendwie gut - ist es aber leider nur zum Teil. Dr. Strange als Figur steht für eine einmalige Mischung aus Wissenschaftler, Wunderkind, Magier und Genie. Seine Geburt als Superheld geschieht am Höhepunkt seines Erfolges, auf den er steile Absturz folgt, der seinem Leben eine unwiderrufliche Wendung gibt.. Durch seine Genialität und rücksichtslose Aufopferung von Beziehungen für das große Ganze ist er ein tragisch-einsamer Superheld, ähnlich Captain America oder auch Black Widow. Aber als Fachmann eilt ihm ein sagenhafter Ruf voraus: sogar der junge Spiderman kam im letzten Film zu "Stephen", um sich dabei helfen zu lassen, sein Universum mit der richtigen Freundin etc. wiederherstellen zu lassen.

Diesmal hat Stephen aber seine liebe Not, alles zusammen zu halten und wir im Publikum leiden mit. Auf nahezu allen Ebenen gleichzeitig gilt es mächtige Gegner*innen im Zaum zu halten, gleichzeitig und multiversal. Keine leichte Aufgabe. Einen großen Teil der Schwierigkeiten, die seine tapferen Mühen beim Publikum auslösen, hat allerdings das Drehbuch zu verantworten, in dem sich so wenig Tiefgang findet wie schon lange nicht. Sehr bemüht konstruiert man hier eine "Ich will unbedingt und um jeden Preis Mutter-Sein-Geschichte", mixt sie mit psychotisch-schizophrenen Elementen und garniert das Ganze mit Horror, Blut und einer gewissen Portion Trash.

Visuell und mit seinem Sound bietet der Film das volle Programm an Perfektion. Der Film ist wieder einmal einer, den man als Sound-Demo in einem Kinosaal zeigen kann, in dem gerade Dolby-Atmos installiert wurde. Aber inhaltlich: Du meine Güte! Wenn Männer sich darum bemühen, eine ganz und gar männliche Superheldengeschichte, in der die Männer die Starken und die Frauen die sind, die sie retten sollen, plötzlich mit einer Vorzeichenumkehr als feministischen Horrorfilm dreht, kommt ungefähr das heraus, was man(n) hier zu sehen bekommt: eine Reihe von Stichwort gebenden Kurz-Dialogen, bis die nächste CGI-Sequenz abgespult wird und der Subwoofer die Kinosessel zum Brummen bringt.

Wer das auf die heitere Schulter nimmt kann sich hier durchaus unterhalten, aber sehr wahrscheinlich sollte das, was hier komisch wirkt oder zwischendurch auch nervt, nicht komisch und nicht nervend, sondern ernst gemeint sein.
 
 

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