The New World

Bewertung durch Harry.Potter  80% 
Durchschnittliche Bewertung 64%
Anzahl der Bewertungen 29

Forumseintrag zu „The New World“ von Harry.Potter


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Harry.Potter (11.02.2006 20:49) Bewertung
Die Neue Welt in sich selbst entdecken
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2006
Terrence Malick hat noch nicht besonders viele Filme gemacht. Zumindest im Vergleich mit seinen Alternsgenossen. Selbst Jahrgang 1943 hat er als Regisseur erst 5 Filme gedreht und bei insgesamt 10 Filmen das Drehbuch verfaßt. Es vergeht stets ein wenig Zeit, bis er sich wieder mit einem Film auf der Leinwand blicken läßt, aber dafür mit einem starken, epischen Werk voller optischer Wucht und beeindruckender dramaturgischer Dichte. Sein letzter Film „The Thin Red Line“ wirbelte im Jahre 1998 mächtig Staub auf und wurde für insgesamt 7 Oscars nominiert, ging aber, vielleicht auch ob der doch stärker auf den amerikanischen Geschmack zugeschnittenen, Konkurrenz durch „Saving Private Ryan“ von Steven Spielberg, leer aus und auch an der Kinokasse ein wenig unter. Die Kritiker waren dafür umso begeisterter von seinem kritischen Antikriegsfilm.

Eine ähnlich gespaltene Situation erleben wir nun bei seinem jüngsten Werk „The New World“, einer Neu-Verfilmung der Geschichte von Pocahontas und John Smith aus dem 17. Jahrhundert. Bereits Walt Disney hatte sich des in den USA sehr populären Materials angenommen und ein (mäßig erfolgreiches) Zeichentrickmusical abgeliefert.

Aber schon alleine optisch bestimmt der Film gleich in seiner Anfangssequenz, dass es ihm um was ganz Anderes geht als es die Disney Studios vorhatten: ein eigentlich vordergründig liebliches Musikstück, das, zu einer Endlosschleife verbunden, die Ankunft der weißen Siedler an der Küste von Virginia begleitet. Fast so, als würde man den Atem anhalten oder der Film den Augenblick einfrieren wollen, indem er ihn immer wieder und wieder von vorne beginnen läßt, damit das Unvermeidbare, das danach kommt, nicht eintreten möge: die weißen Männer nehmen die Neue Welt in Besitz, nichts ist mehr so wie es war. Die Eingeborenen wissen nicht, wie ihnen geschieht, welche seltsamen Menschen ihnen plötzlich gegenüber stehen. Wie soll es weiter gehen? Anspannung liegt in der Luft. Und auch wenn es zuerst so aussieht, als könnten „Wilde“ und „Zivilisierte“ neben einander leben, ist der Konflikt vorprogrammiert, als den, mit der Vegetation unerfahrenen, Siedlern aus England im Winter die Nahrungsmittel ausgehen.

Besonders erwähnenswert sind die schauspielerischen Leistungen von Film-Debutantin Q'Orianka Kilcher, die mit ihren 16 Jahren die Latte für ihre Kolleginnen im Schauspielfach wieder ein Stück höher gelegt hat. Colin Farrell (Alexander) weiß als John Smith ebenso zu überzeugen wie Christian Bale (Batman Begins) als John Rolfe.

Gewoben aus beeindruckenden Landschaftsaufnahmen von opulenter Schönheit, zärtlichen Augenblicken voller klitzekleiner Details, in denen für die beiden Liebenden die Zeit stillzustehen scheint und dieser respekteinflößenden Spiritualität der angeblich „Wilden“, zeichnet Kameramann Emanuel Lubezki (Oscar-nominiert) ein beeindruckendes Gemälde, ein Schmuckstück von einem Film, handwerklich beispielhaft vom kleinsten Makro bis zur größten Totale. Unterstützt wird die grandiose Optik von der Musik von W.A. Mozart und R. Wagner sowie der Filmmusik aus der Feder von James Horner (Titanic).

Regisseur und Drehbuchautor Terrence Malick hat also keinen gewöhnlichen Film gedreht, sondern ein Gebet, oder noch besser: einen Klagepsalm erschaffen, der jene anklagt, die meinen, sie wären zivilisierter, intelligenter und vor allem: fähiger zu lieben als andere.

Gerade dieser starke spirituelle Aspekt der Inszenierung mag es aber so manchem schwer machen, an der Geschichte auf Dauer dran zu bleiben, was dem Film eine gewisse Länge gibt, der bei der PV einige Kolleginnen und Kollegen nicht standhalten konnten. Daher gibt es für den Film „nur“ die Gesamtwertung von 80 %. Obwohl es mir schwer fällt, sehr schwer sogar…
 
 

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