French Exit

Bewertung durch Stadtneurotikerin  75% 
Durchschnittliche Bewertung 64%
Anzahl der Bewertungen 4

Forumseintrag zu „French Exit“ von Stadtneurotikerin

stadtneurotikerin_948f8a00d1.jpg
Stadtneurotikerin (16.11.2021 08:06) Bewertung
French Exit
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Azazel Jacobs durfte auf der Viennale nun endlich seinen Film präsentieren. Er hätte dort letztes Jahr schon gezeigt werden sollen, jedoch warb die Berlinale den Film ab. Das Warten hat sich jedenfalls gelohnt.

„French Exit“ lässt sich schwer in eine Genre-Schublade stecken. Familiendrama, Screwball-Komödie, übernatürliche Elemente. Man lacht über Morbides, Peniswitze und Situationskomik. Und am Ende legt sich ein Mantel der Melancholie über unsere verstummten Lacher. „French Exit“ ist wahrlich eine ungewöhnliche Mischung. Es ist quasi Schokolade mit Essiggurkerl für die Leinwand. Dabei fordert der Film vom Publikum, sich darauf einzulassen. Gelingt einem dies, wird man auf jeden Fall belohnt.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Patrick deWitt, der auch das Drehbuch verfasste. Er handelt von einer Witwe der New Yorker High Society, die Jahre nach dem Tod ihres Mannes endgültig dessen Vermögen verprasst hat. Mit dem Erlös ihrer letzten übrig gebliebenen Schätze setzt sie sich mit ihrem Sohn, einem Muttersöhnchen in seinen Mittzwanzigern, nach Paris ab, wo ihr ihre beste Freundin ihre leerstehende Ferienwohnung angeboten hat. Dabei fasst die lustige Witwe den Entschluss, zu sterben, bevor das Geld verbraucht ist. Aber anstatt sparsam damit umzugehen, verprasst sie das Geld mit einer Todessehnsucht. Doch bevor sie ihrem Plan Folge leisten kann, gibt es da noch einige Familienangelegenheiten zu regeln, in die sich eine einsame Freundin, ein Medium, ein Privatdetektiv, eine Ex-Verlobte, ihr neuer Verlobter, eine schwarze Katze und die Eigentümerin der Pariser Wohnung einzumischen haben.

Regisseur Azazel Jacobs ist ein Geschenk für Frauen in Hollywood, die in der Traumfabrik als „reif“ gelten würden. Er weiß ihre Geschichten zu erzählen und ihnen dabei zu schmeicheln, etwa wie in seiner HBO-Sitcom „Doll & Em“. Auch „French Exit“ versammelt ein Ensemble an grandiosen Frauen, allen voran Michelle Pfeifer und Valerie Mahaffey. Besonders Michelle Pfeifer liefert eine ikonische Performance ab, die den gesamten Film trägt und zu seinem Spektakel macht. Auch Lucas Hedges findet seinen Platz neben einer sehr starken Pfeifer und liefert als Muttersöhnchen eine Performance, die Hedges weichen Kern, für den er bisher noch kaum bekannt ist, akzentuiert.

Mit seiner Großstadtromantik, der magischen Qualität von Vollmondnächten und schwarzen Katzen, grandioser weiblicher Schauspielkunst und einer Prise Screwball-Humor erweckt „French Exit“ durchaus die Assoziation zu Woody-Allen-Filmen. Nachdem dem Kultregisseur nach 60 Jahren Filmschaffens nun die Ideen auszugehen scheinen, erweist „French Exit“ vor allem jenem Publikum einen Dienst, die sich von Allen in den letzten Jahren im Stich gelassen gefühlt haben. Dabei ist Jacobs Film jedoch ästhetisch und inhaltlich durchaus eigenständig.

Trotz seiner teils morbiden Themen findet der Film eine erfrischend heitere Grundhaltung, die sich in den stärksten Momenten des Films anfühlt wie sprudelnder Champagner.
 
 

zum gesamten Filmforum von „French Exit“
zurück zur Userseite von Stadtneurotikerin