Promising Young Woman

Bewertung durch Harry.Potter  90% 
Durchschnittliche Bewertung 76%
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Forumseintrag zu „Promising Young Woman“ von Harry.Potter


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Harry.Potter (21.08.2021 08:54) Bewertung
Retro-Bunt und tiefschwarz, beeindruckend und überraschend
Das sind die Eigenschaftswörter, die mir am "Morgen danach" in den Sinn kommen, wenn ich mein Erlebnis dieses Filmes gestern Abend Revue passieren lasse. Ich war mit einer gewissen Erwartungshaltung in den Saal gegangen: so etwas wie Margot Robbie in "Birds Of Prey", aber mit weniger Action und Blut bzw. ein "MeeToo"-Film mit einem Racheengel in der Hauptrolle. Den Racheengel habe ich bekommen, der Rest war dann doch (zu meiner Freude) ganz anders. Angesichts dessen, was sich Cassie (C. Mulligan: fantastisch!) mit Männern eines bestimmten Typs vorgenommen hat, kommt der Film überraschend ruhig daher - verdächtig ruhig, wie man schnell merkt, denn hier ist kein Zufall am Werk sondern kalte Berechnung. Rache für ein schlimmes Verbrechen an einer jungen Studentin, das durch die Behörden unbestraft und ungesühnt blieb. Selbstjustiz, in einer subtilen und sehr wirksamen Form, die keine spektakulären Massacker braucht, um ihr Ziel zu erreichen: Schock, Konfrontation mit dem eigenen Verhalten und dann - vielleicht - Läuterung und - noch stärker vielleicht - Umdenken. Es hat richtig gut getan, wie das Drehbuch die Erzählung entfaltet, in welchen Momenten man zentrale Infos bekommt über das Vergangene, das der Schlüssel zu dem ist, was passiert. Wie gekonnt es damit spielt, wo die Guten und die Bösen zu finden sind, beide ganz plötzlich demontieren und die Rollen tauschen lassen kann. Ein Film über Selbstjustiz, die (fast) keine Opfer, aber viele Verstörte und Irritierte hinterlässt und damit sogar umso wirksamer erscheint. Man kann sich des angenehmen Gefühls der Genugtuung nicht erwehren, das entsteht, wenn die präzise ausgelegte Falle zuschnappt. In einer Zeit, in der sich viele Menschen als hilflos und ausgeliefert empfinden, funktioniert ein Film, in dem Schuldige, die von einem gesellschaftlichen System der Vertuschung und Abwertung von Frauen geschützt wurden, für ihre verwerflichen Taten bestraft werden, wahrscheinlich besonders gut. Aber zugleich schummelt sich der Film auch nicht drum herum, dass es auch hier eines Tages einen Preis zu zahlen gilt. Über den Schluss kann man - muss man wahrscheinlich sogar - sehr geteilter Meinung sein, überraschend kam er aber allemal. Mit knallbunter Ausstattung voller Retro-Details schafft die Regisseurin Emerald Fennel eine subversiv-abgründige Szenerie des Alltäglichen, in dem sich das ganz und gar nicht Alltägliche abspielt.
 
 

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