Amulet

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Forumseintrag zu „Amulet“ von juliap

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juliap (20.09.2020 18:29) Bewertung
Für seine Sünden muss „Mann“ büßen
Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
Auch im Horrorgenre ist das Ende eines Films gar zu oft sehr leicht zu antizipieren und damit vorhersehbar, doch das Regiedebüt „Amulet“ der Schauspielerin Romola Garai verspricht genau das Gegenteil. Nach einem langatmigen Einstieg, ändert der Film im letzten Drittel seine komplette Ausrichtung und bietet den Zusehern einen derart unerwarteten Twist, dass der Rest des Films in ein komplett neues Licht gerückt wird.

„Amulet“ feierte seine Premiere am diesjährigen Sundance Film Festival und hat ein großartiges Schauspielensemble darzubieten. Hauptrollen übernahmen Alec Secăreanu (God’s Own Country) und Carla Juri, in einer prominenten Nebenrolle besetzt ist Imelda Staunton, die vielen vor allem als Dolores Umbridge aus dem „Harry Potter“-Universum ein Begriff sein dürfte.

Im Film folgen wir dem Ex-Soldaten Tomaz, der nach seiner Flucht aus seiner Heimat nach London obdachlos ist. Als das Lagerhaus, in dem er und andere Unterkunftslose die Nacht verbringen, niederbrennt, wird er von der hilfsbereiten Schwester Claire gefunden, die ihm eine Unterkunft anbietet. Er soll im heruntergekommenen Haus der jungen Magda aushelfen, die sich dort ganz allein um ihre sterbende Mutter kümmert. Mit Vorbehalt nimmt sich Tomaz der Aufgabe an und verliebt sich schon bald in Magda. Diese scheint jedoch in Bezug auf ihre Mutter ein dunkles Geheimnis zu hüten. Immer seltsamere Geschehnisse verfolgen den Protagonisten, schließlich scheint es zunehmend als wären diese in irgendeiner Weise mit Tomaz‘ sinistrer Vergangenheit verbunden.

Bodyhorror-Fans können aufatmen: Der Film scheint zunächst mehr atmosphärisch als tatsächlich blutig zu sein, liefert allerdings gen Ende eine grandiose Werkschau aus praktischen und digitalen Effekten, die selbst auf den weniger sensiblen Magen schlagen kann. Gerade stilistisch scheint sich Garai mit ihrem ersten Film bereits zum Teil gefunden zu haben. „Amulet“ punktet vor allem mit seiner Inszenierung und einer gewissen Ästhetik in der Kameraarbeit, die den Horror und Schrecken des Werks vollends zu vermitteln vermag.

Unglücklicherweise fügt sich der Handlungsstrang des finalen Aktes sehr schlecht mit dem Rest des Films zu einem stringenten Ganzen, sodass dieser, obwohl isoliert betrachtet viel origineller und fesselnder als der Rest, völlig fehl am Platz wirkt. Die innere Motivation der Regisseurin einen Film orchestrieren zu wollen, der Geschlechterrollen und damit die gesamte patriarchale Gesellschaft hinterfragt und auf den Kopf stellt, ist zwar durchaus erkennbar, macht allerdings in diesem Kontext so manch narrative Entscheidung etwas problematisch. Das obskure und nicht weniger schockierende Ende versucht eine eindeutige Botschaft zu vermitteln: Männer, die sich an Frauen vergehen, werden auf irgendeine Art und Weise schlussendlich zur Rechenschaft gezogen werden. Genau hier macht sich die Inkonsequenz der Regisseurin am deutlichsten bemerkbar, entschließt sie sich doch von Beginn an der Sichtweise des männlichen Protagonisten zu folgen und uns mittels fragmentarischer Rückblenden an dessen Gefühlswelt teilhaben zu lassen, bis zu einem gewissen Punkt sogar mit ihm zu sympathisieren.

Insgesamt ein effektives, originelles Horrordebüt, mit dem Neo-Regisseurin Romola Garai definitiv ein Auge für eine stylishe Inszenierung beweist. „Amulet“ polarisiert zwar eindeutig in seiner Wirkweise, stellt jedoch mit seinem Konzept ein erfrischendes Novum dar.
 
 

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