3freunde2feinde

Bewertung durch Stadtneurotikerin  70% 
Durchschnittliche Bewertung 78%
Anzahl der Bewertungen 2

Forumseintrag zu „3freunde2feinde“ von Stadtneurotikerin

stadtneurotikerin_948f8a00d1.jpg
Stadtneurotikerin (02.04.2020 12:59) Bewertung
Klassenkampf mit Wiener Schmäh und französischem Charme
Exklusiv für Uncut von der Diagonale
Regisseur Sebastian Brauneis ist seit 2018 Dauergast auf der Diagonale. Damals stellte er dort seinen Debütfilm „Zauberer“ vor, in dem der junge Regisseur sein Talent und seinen Hang zum ungewöhnlichen Erzählen unter Beweis stellte. 2019 zeigte er im VR-Programm seine virtuelle Theaterinszenierung von Arthur Schnitzlers „Leutnant Gustl“ und dieses Jahr wäre auf der Diagonale (die mit dem bitteren Beinamen „Die Unvollendete“) sein neuer Film „3freunde2feinde“ gelaufen. Unvollendet ist auch die Kopie, die auf dem Festival eingereicht wurde, weil Brauneis sein Projekt ganz ohne Förderungen durchgezogen hat und die (technische) Fertigstellung des Films wohl noch auf ein Budget und bessere Zeiten wartet. Dennoch durfte der Film unverhofft die reduzierte Diagonale im FM4-Stream eröffnen und bescherte uns einen erfrischenden Heimkinoabend mit einem Film, dem man wirklich von Herzen wünscht, dass er noch seinen Weg in ein richtiges Kino findet.

Die Komödie handelt von einem Chefposten und zwei Vollpfosten. Der Chef einer Fabrik gibt die Führungsposition weiter, natürlich innerhalb der Familie. Sein Sohn Heinzi, der schon jahrelang in der Fabrik arbeitet, ist ihm zu sehr Taugenichts. Sein Schwiegersohn, der schmierige Karli, scheint dagegen der perfekte Mann für den Job. Karlis ehelichen Herrschaftsweisen überzeugen den alten Mann davon, dass er sich auch gut als Chef seines Unternehmens machen wird. Doch als Karli bei einer Betriebsversammlung verkündet, die Firma zu übernehmen, kommt es zu einer kleinen Revolte unter den Arbeitern. Einer von ihnen beschimpft ihn wüst und schlussendlich applaudieren anstatt dem neuen Chef alle dem Rebellen. Dieser bleibt aber unerkannt, weil er eine Atemschutzmaske trägt und sich schnell aus dem Staub macht. Die jungen Männer in der Chefetage, Heinzi und Karli, wollen den Täter jedoch am nächsten Tag überführen.

Hinter dem Vorfall stecken die Freunde Franzi und Emil, zwei Kollegen und Freunde aus der Firma. Zufrieden mit ihrer kleinen Revolte, bangen sie dennoch um ihren Job. Doch sie finden eine Ablenkung von ihren Sorgen, als sie ihrer Kollegin Johanna dabei helfen, einen Dieb zu finden, der sie in einer Tierhandlung überfallen hat. Dem Dieb ist bei seiner Aktion seine eigene Tasche abhanden gekommen, die den drei Freunden nun helfen soll, ihn ausfindig zu machen. Da sich in der Tasche nur Schallplatten befinden, vermuten sie einen DJ als Dieb. Die Suche nach ebendiesen, die sie durch das Wiener Nachtleben führt, schweißt die drei zusammen. Doch der nächste Arbeitstag könnte dieses Band zerreißen.

Die Länge der Inhaltsangabe für diesen Film täuscht vor, das viel in diesem Film passiert. Tut es aber nicht. Es geht um alles und nichts. Wie man am Filmtitel ablesen kann, ist das Konzept des Films recht einfach gestrickt. Drei Freunde rächen sich an zwei Feinden. Die Freunde stehen für Arbeiter, die sich ausbeuten lassen müssen, damit sie überleben können. Die Feinde sind die Burschen der Chefetage, die das kapitalistische System verkörpern sollen. Doch die Ausgestaltung der Figuren macht bereits klar, die zwei Feinde kann man nicht ernst nehmen. Sie sind lächerliche Marionetten eines Systems, Heinzi und Karli eben. Zahnlose Figuren, aber mit Gesichtern, die man gern watschen würde (das darf bitte als Lob an Lukas Watzl verstanden werden).

Johanna (Marlene Hauser), Franzi (Christoph Kohlbacher) und Emil (Noah L. Perktold) sind zwar Opfer des kapitalistischen Systems, aber ihnen bleibt dennoch der Feierabend. Bier trinken, die Nacht durchtanzen und bei heißen Würsteln über das Leben philosophieren. Die drei Freunde sind gutherzig. Johanna, vom Dieb bestohlen und vom Arbeitgeber ausgebeutet, lässt den Kopf trotzdem nicht hängen. Auch der liebe Trottel Franzi versucht das Leben zu bewältigen, auch wenn er das mit dem Opium fürs Volk etwas zu wörtlich nimmt.

Sebastian Brauneis gelingt eine bissige Sozialkritik, die jedoch aufgrund der teils naiven Held*innen erfrischend und kindlich wirkt. Anstatt einem wütenden Film über den Klassenkampf ist es ein bisschen wie „Emil und die Detektive“ für Erwachsene geworden. Eine charmante Leichtigkeit wird dem Film trotz der ernsten Themen, die er im Kern behandelt, vor allem auch durch seinen wunderschönen Soundtrack verliehen. Zahlreiche französischen Pop-Perlen der 60er und ein „lustiges Zombielied“ verbreiten gute Laune. Die Musik ist hier und da begleitet von unerwarteten musicalhaften Tanzszenen, die kurz eine heile Welt entwerfen. Ebenfalls sehr schön ist die kleine Liebeserklärung an das Wiener Nachtleben. Vom Tanzcafé Jenseits über den Würstelstand bis zur Grellen Forelle wird keine Institution der Wiener Nachtszene ausgelassen.

Sebastian Brauneis ist mit „3freunde2feinde“ kein perfekter Film, aber eine schöne Komödie gelungen, die sich nicht all zu ernst nimmt, aber ihre Botschaft schon. Der Film ist Teil eines künstlerischen Wiederstandes, seine Waffe ist allerdings die Komik. Dennoch hält das Drehbuch unvorhergesehene Wendungen bereit und übt notwendige Systemkritik, nicht nur am Kapitalismus, sondern auch am Patriarchat. Damit trifft Brauneis natürlich den Nerv der Zeit. Doch er beleuchtet nicht nur das Schlechte in der Gesellschaft, sondern vor allem auch das Gute im Menschen.
 
 

zum gesamten Filmforum von „3freunde2feinde“
zurück zur Userseite von Stadtneurotikerin