One in a Thousand

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Forumseintrag zu „One in a Thousand“ von Stadtneurotikerin

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Stadtneurotikerin (22.02.2020 12:37) Bewertung
Leben und Lieben in der argentinischen Sozialbausiedlung
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2020
Die Panorama-Schiene der diesjährigen Berlinale wurde mit dem deutsch-argentinischen Drama „Las Mil y Una“ (internationaler Titel „One in a Thousand“) eröffnet. Das Panorama steht für junges und gewagtes Kino und die Gründe, warum der Film der argentinischen Regisseurin Clarisa Navas dieses eröffnen durfte, liegen auf der Hand. „Las Mil y Una“ erzählt von queeren Individuen in einem Umfeld, das das Ausleben ihrer Natur nahezu unmöglich macht, nämlich eine argentinische Sozialbausiedlung, so wie man sie überall in Argentinien vorfinden könnte. Dort lebt die schüchterne und sportliche 17-jährige Iris. Wenn sie nicht gerade einen Basketball in ihren Händen hat, beißt sie Nägel und fährt sich nervös im Gesicht herum. Als sie auf eine junge Frau aufmerksam wird, die ihr hier und da in der Nachbarschaft begegnet, beginnt sie nach ihr zu fragen. Da in der Siedlung jeder seine Nase in den Problemen der anderen hat, findet sie bald mehr heraus als sie eigentlich wollte. Renatas Vergangenheit der Promiskuität und des Drogenmissbrauchs haben schwere Folgen. Dennoch lässt sich Iris auf diese Affäre ein.

Das bemerkenswerteste am Film ist auf jeden Fall der Schauplatz. Er fungiert nicht nur als Setting, sondern nimmt eine wichtige Rolle ein. Auch wenn das Leben im Sozialbau von Armut überschattet wird, spricht der Film der argentinischen Sozialbaussiedlung nicht seine Lebhaftigkeit ab. Ob Blockpartys oder bunte Kindergeburtstage auf der Straße, irgendwo spielt immer Musik und Leute tanzen. Auch wenn die Familien, die hier leben nicht wohlhabend sind, sie halten zusammen. Die familiäre Harmonie kommt allerdings teilweise davon, dass Navas auf Väterrollen verzichtet und das Matriarchat seinen Zauber entfalten lässt.

Aber natürlich ist nicht alles Friede und Freude in der Sozialbausiedlung. Sie bietet zwar einen Lebensraum, jedoch keinen Raum zum Ausleben. Iris und ihre zwei Cousins, mit denen sie abseits vom Sportplatz ihre Zeit verbringt sind alle auf die eine oder andere Art queer. Obwohl einer ihrer Cousins offen schwul ist, besteht sein Liebesleben aus nächtlichen heimlichen Handjob an einer Hausmauer auf der „Jesus rettet dich“ als Graffiti steht.

Diese Szene war eine der gelungeneren Provokationen im Film. Der Haupthandlungsstrang ist die Annäherung der zwei jungen Frauen, die leider gar nicht zusammen passen. Die Brave und die Skandalnudel - diese zwei Charaktertypen haben wir in Film und Fernsehen schon oft aufeinandertreffen sehen. Doch so langweilig wie in diesem Film war das selten gestaltet. Die Chemie zwischen den zweien stimmt irgendwie gar nicht, es ist nicht wirklich nachvollziehbar, was die zwei aneinander so anziehend finden und die Weise auf die Drogensucht, HIV und Prostitution angesprochen werden, ist fast fahrlässig.

Der Film schneidet viel an und erzählt nichts zu Ende, das Ausmaß, in dem es sich mit Problematiken auseinandersetzt ist alles andere als befriedigend. Dabei gäbe es so viel Potenzial, vor allem eine Vielzahl an interessanten Charakteren, vor allem die zwei Cousins. Das Hauptaugenmerk auf Iris, dem langweiligsten Charakter in diesem Ensemble an bunten Leuten, tut dem Film nicht wirklich gut. Als großer Freund von spontanen Tanzeinlagen in Filmen muss ich allerdings diesem Film trotzdem für eine ganz großartige davon danken.

Alles in allem, ein anschaubarer Film mit einem besonderen Schauplatz, in dem zwei Welten portraitiert werden, die sich einander im Wege stehen. Leider steht sich der Film dabei auch ein wenig selbst im Wege.
 
 

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