Pelikanblut

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Forumseintrag zu „Pelikanblut“ von unimatux

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unimatux (14.02.2020 16:03)
Der Opferweg einer liebenden Mutter
Mit ihrem Langfilmdebüt „Tore Tanzt“ aus dem Jahr 2013, bewies die deutsche Regisseurin und Drehbuchautorin Katrin Gebbe bereits ihr Gespür für intensive psychologische Thriller, und wurde unter anderem mit dem Preis der deutschen Filmkritik für das Beste Spielfilmdebüt 2013 ausgezeichnet. Sechs Jahre später folgte nun ihr nächster Eintrag in das deutsche Psychothriller-, wohl eher fast schon Horrorkino, welcher im August bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt wurde und nur einen Monat später auf dem Filmfest Hamburg seine Deutschlandpremiere feierte.

„Pelikanblut“ erzählt die Geschichte von der alleinerziehenden Mutter Wiebke, welche mit ihrer 9-jährigen Adoptivtochter zusammenlebt und sich dazu entscheidet ein weiteres Mädchen zu adoptieren: die 5-jährige Raya aus Bulgarien. Nach kurz anhaltender Harmonie verändert sich Raya jedoch und bringt den Schein von einer glücklichen Familie ins Schwanken.

Schon nach wenigen Minuten wird die Stimmung des Films etabliert: Eisige Winterlandschaften und kalte Farben dominieren das Geschehen, und werden eindrucksvoll vom Kameramann Moritz Schultheiß eingefangen. Die ohnehin bereits unfassbar dichte Atmosphäre wird durch die stetig steigende Dramatik und Intensität der Familiensituation nur noch weiter in die Höhe getrieben, jedoch ohne dabei zu aufgezwungen und künstlich zu wirken, sondern stets einfühlsam und empathisch mit den Figuren des Films.

Katrin Gebbes eigener Aussage zufolge, erkundet der Film die „Albtraumvision der Elternschaft“, was den Film perfekt beschreibt. Wie es sich für einen Film dieser Art gehört, geht der Film wie bereits erwähnt unfassbar liebevoll mit den Figuren um, und das Gefühl von dem Wunsch nach Familienzusammenhalt und Glück ist zu jeder Sekunde deutlich spürbar. Wenn es jedoch zu dem albtraumhaufen Teil des Films kommt, schreckt der Film nicht davor zurück unfassbar düstere Bilder und Thematiken zu präsentieren, welche die FSK 16-Freigabe mehr als nur rechtfertigen. Es ist keine leichte Kost; um genau zu sein bekommt man hier welche der wahrscheinlich bedrückendsten und unangenehmsten Szenen des Filmjahres zu sehen. Diese werden jedoch nicht auf bloßes Schock-Value reduziert, sondern sind stets angemessen in die Dramaturgie und der Geschichte des Films eingebettet. Der Film benötigt diese gewisse Härte um den von der Regisseurin beschriebenen „Opferweg“ der Mutter und ihre „aufopfernde Liebe“ darzustellen.

Allein aufgrund einigen bereits genannten Punkten ist es abzusehen, dass der Film bei vielen Zuschauern für Empörung und abstoßende Gefühle sorgt. Was jedoch erwähnt werden sollte, ohne zu viel zu verraten, weil es einen relevanten Überraschungseffekt vorwegnehmen würde: In seinem letzten Drittel verändert sich der Film stark und vollzieht fast schon einen Genrewechsel, welcher vielen Zuschauern auf Filmfestivals sauer aufstoß. Dies ist mehr als nur nachvollziehbar, jedoch macht es den Film um einiges interessanter und auch spannender, selbst wenn es schwer ist sich mit der Auflösung des Films hundertprozentig anzufreunden. Dennoch: Solch ein Mut ist verdammt respektabel.

Abschließend lässt sich sagen, dass es sich bei „Pelikanblut“ um ein einfühlsames Portrait einer alleinerziehenden Mutter handelt, welche für ihre Kinder bereit ist jede nötige Grenze zu überschreiten. Der Film macht es dem Zuschauer wegen seiner Härte und einigen riskanten Entscheidungen nicht leicht, belohnt ihn jedoch mit einer immens intensiven Filmerfahrung, welche man in solchem Maße nur selten zu sehen bekommt. Hoffentlich wird es in Zukunft weitere von solch mutigen Genrebeiträgen aus Deutschland zu sehen geben!
 
 

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