Geralt von Riva - Der Hexer

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Forumseintrag zu „Geralt von Riva - Der Hexer“ von Thorsten

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Thorsten (20.12.2019 11:11) Bewertung
Der Schlächter von Blaviken fand seinen Meister im Schneideraum
Eldritch Advice
Ich liebe die „Geralt-Saga“, und das obwohl ich erst relativ spät, im Jahr 2011, durch das Videospiel „The Witcher 2: Assassins of Kings“ auf den Hexer Geralt von Riva aufmerksam wurde. Kaum waren ein paar Stunden Spielzeit vergangen, fühlte ich mich bereits als Teil dieser perfekt ausgearbeiteten und fantastischen Interpretation einer spätmittelalterlichen Welt und ihrer unwiderstehlichen Mythologie. Auch wenn mir stets bewusst war, dass diese Spielreihe auf den Hexer-Romanen des polnischen Autors Andrzej Sapkowski basiert, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass seine Werke damals irgendwie an mir vorbeigingen und die Erzählungen anderer Fantasyautoren wie Robert E. Howard (Conan), Margaret Weis (Drachenlanze) oder Bernhard Hennen (Das Jahr des Greifen) meine Zeit vollends in Anspruch genommen haben. Durch die Faszination, die „The Witcher 2“ in mir auslöste, nahm ich mir endlich die Zeit um diese Bildungslücke zu schließen. Danach gierte nach mehr. Auf meiner Suche stieß ich auf die polnische Filmadaption von Marek Brodzki aus dem Jahr 2001, die, nach dem Erfolg der Spielreihe, mit dem Titel „Geralt von Riva – Der Hexer“ auch im deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurde.

Während die menschliche Zivilisation im Wachsen begriffen ist, bleiben der alten Welt der Monster, Elfen und Zwerge oft nur noch kleinere Rückzugsorte. Ob aus Verzweiflung, Abscheu oder Notwehr enden Begegnungen zwischen diesen beiden Welten oftmals im Blut. Um die Menschheit vor den Grauen der Vergangenheit zu bewahren, ziehen mutierte Monsterjäger, genannt Hexer, durch die Lande und bekämpfen derlei Bedrohungen gegen bare Münze. Geralt von Riva ist einer dieser Hexer. Von Menschen und Monstern gefürchtet, verzichtet der pragmatische Geralt auf ein striktes Schwarz-Weiß-Denken und begegnet seinen Aufträgen stets unvoreingenommen; ein Pfad der ihm viele Feinde macht.

Ich muss sagen … es befindet sich ein guter Film in dem Chaos dieser Schnittfassung.

Die „Hexer“-Verfilmung basiert lose auf den Kurzgeschichtensammlungen „Der letzte Wunsch“ und „Das Schwert der Vorsehung“, und wurde zusammen mit allen Episoden der, im Jahr darauf in Polen ausgestrahlten, gleichnamigen TV-Serie gedreht. Leider entschied man sich dazu, für die Darstellung mancher mythologischer Kreaturen auf CGI zurückzugreifen. Weder sehen diese digitalen Animationen heute gut aus, noch taten sie dies im Jahr 2001. Dabei hätte man gut und gerne auf praktische Effekte setzen können, denn die qualitativ hochwertigen und detailverliebten Kostüme sowie Requisiten zeigen, dass talentierte Künstler vor Ort waren. Apropos Kostüme; so herrlich diese auch aussehen, hätte man sich gut und gerne etwas mehr Zeit in der Vorproduktion nehmen können, um diese etwas verwittern zu lassen. Doch selbst wenn Krieger und Bürger etwas zu sauber wirken, kann man die Darstellung der Welt als durchaus gelungen betrachten. Einen großen Anteil daran haben die wunderschönen Drehorte in Polen, deren Geschichtsreichtum sich in jeder Szene zeigt. Untermalt vom großartigen Soundtrack des, leider kurz nach Drehende verstorbenen, polnischen Komponisten Grzegorz Ciechowski kann man sich durchaus in den magischen Momenten dieses Films verlieren.

Ein wundervoller Aspekt vieler europäischer Produktionen ist, dass man selbst bei Filmen, die nur über ein kleines Budget verfügen, auf eine Vielzahl von theatererprobten Schauspielern zurückgreifen kann. So etwa Michał Żebrowski, der als Geralt von Riva eine hervorragende Leistung bietet und das nötige Charisma mitbringt um den stoischen und pragmatischen Hexer quellengerecht darzustellen. Lediglich mit der Besetzung von Yennefer von Vengerberg bin ich nicht ganz zufrieden. Zwar ist Grażyna Wolszczak eine wunderschöne Frau, verfügt aber nicht über jene magische Ausstrahlung, die Yennefer so unwiderstehlich macht.

Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

Euch ist sicherlich aufgefallen, dass diese Besprechung bislang vor allem das Positive hervorhebt. Ja, der Film hat viele Elemente die mir sehr zusagen, und gerade deswegen schmerzt es mich, dass er mich als Gesamtwerk nicht vollends überzeugen konnte. Kritische Stimmen weisen oft darauf hin, dass es sich bei diesem Film um einen dürftigen Zusammenschnitt der TV-Serie handelt. Das wohl vollkommen zu Recht, denn obwohl ich die Serie, mangels einer DVD-Auskopplung, nie gesehen haben, wirkt diese Schnittfassung äußerst zusammenhanglos. Die etlichen Zeitsprünge sind verwirrend und sorgen dafür, dass eine Kenntnis der Romanvorlagen oder das rudimentäre Bild, das die Videospiele zu Geralts Vergangenheit vermitteln, Voraussetzungen dafür sind, um die Abfolge der Ereignisse in diesem Film nachvollziehen zu können. Etwas, dass die Serie angeblich wesentlich besser löste.

Insgesamt halte ich fest, dass viel von der Qualität, die „Der Hexer“ haben könnte, im Schneideraum verloren ging. Durch den zusammenhangslosen Plot, wirkt die ohnehin bereits lange Laufzeit von 130 Minuten noch länger. Dennoch glaube ich, dass in dieser Produktion eine gute Geschichte steckt und hoffe, dass eines Tages die gesamte Serie auf DVD oder bei einem Streaming-Anbieter verfügbar sein wird. Vielleicht sorgt ja die neue Netflix-Adaption dafür, dass sich endlich ein Vertrieb dieser annimmt. Trotz all seiner Fehler, lege ich „Der Hexer“ jedem Fan der „Geralt-Saga“ und des Fantasy-Genres ans Herz. Wer über ausreichend Sitzfleisch verfügt wird mit einem guten Schauspiel, unwiderstehlichen Soundtrack, wunderbaren Landschaftsaufnahmen und einer Fantasywelt, die sich größer anfühlt als das Budget vermuten lässt, belohnt. Deswegen ist „Der Hexer“ durchaus eines freitäglichen Filmabends würdig.
 
 

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