Bait

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susn (24.10.2019 17:25) Bewertung
Düsteres Filmexperiment mit Botschaft
Exklusiv für Uncut vom Crossing Europe Film Festival
Der aus Cornwall stammende Filmemacher Mark Jenkin bietet mit „Bait“ ein sonderbares aber mächtiges Filmexperiment, in dem er die tragischen Zustände in einem kornischen Fischerdorf untersucht. Dabei vermischt er die Filmsprachen vieler verschiedener Genres und schafft eine faszinierende neue Erzählart, die allein schon die Sichtung wert ist.

Martin Ward (Comedian Edward Rowe) ist ein aggressiver Mann mittleren Alters, der in einem kleinen Dorf in Cornwall versucht, als Fischer ohne Boot seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Fischerei ist am Rückgang, dafür drängen immer mehr Sommertouristen nach, die ganze Gemeinschaft und das Angebot im Dorf ist auf die Unterhaltung jener Fremden ausgelegt.

Martin und sein Bruder Steven (Giles King) haben das alte Fischercottage ihres Vaters zwangsweise an reiche Londoner verkaufen müssen, die den Sommer über bleiben und es als B&B an andere vermieten. Steve benutzt das Fischerboot der Familie um Touristen Sightseeing-Trips zu geben, wobei die Kundschaft nicht immer den nötigen Respekt und Enthusiasmus für die Gegend mitbringt. Während Steve das Fischen aufgegeben hat, möchte Martin auf ein neues Boot hinsparen, da er für den Moment versucht mit Körben und Strandnetzen seinen Lebensunterhalt zu fangen.

In seinem Unterfangen kollidiert er immer wieder mit den Urlaubern, die den öffentlichen Raum und die Meinungshoheit vereinnahmen. Und dann ist da noch Steves Sohn, der sich zu einer der Urlauberinnen hingezogen fühlt. Was von deren Familie nicht gern gesehen wird.

Jenkins spricht in Zeiten von Globalisierung, Massentourismus und Gentrifizierung ein wichtiges Thema an. Die Abhängigkeit ärmerer Regionen von dem wirtschaftlichen Input ökonomisch stärkerer Bevölkerungsgruppen und die dadurch entstehende graduelle Abschleifung der authentischen lokalen Kultur.

Doch damit wäre er nicht der erste und was Jenkins Film so hervorhebt ist sein ungewöhnliches Experiment der Umsetzung. „Bait“ wirkt, als wäre es ganz ohne Budget vor rund 60 Jahren gedreht worden und ist dennoch gleichzeitig experimentell und innovativ. Gedreht in schwarz-weiß mit einer Bolex Cine Camera in 16 mm, hat Jenkins das Material in der Postproduction noch einmal so entwickelt, dass es mit Störfehlern und Kratzern nur so knistert.

Doch die Bearbeitung ist noch nicht alles. Der Film bedient sich der Montagetechnik und Bildsprache des frühen Kinos und wurde komplett stumm gedreht. Der Sound und die Dialoge wurden nachher aufgenommen und darüber gelegt.


Jenkin gibt sich auch nicht dem romantischen Ideal einer Touristenlandschaft hin. Die harten Schwarz- und Weißtöne der Landschaft lassen Cornwall eher gespenstisch wirken, was durch die gelegentlichen Flash Fowards unterstrichen wird, die der Regisseur immer wieder einsetzt. „Bait“ ist somit die seltsam gelungene Chimäre eines Künstlerexperiments und eines Films mit bitterer Botschaft.
 
 

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