Land des Honigs

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Forumseintrag zu „Land des Honigs“ von MrsBlonde


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MrsBlonde (04.11.2019 22:18) Bewertung
Im Einklang mit den Bienen
Tamara Kotevskas und Ljubomir Stefanovs atmosphärische Dokumentation über das Leben einer Imkerin konnte beim diesjährigen Sundance Film Festival bereits einige Preise abstauben. Sie wurde außerdem als nordmazedonischer Beitrag für den Auslands-Oscar 2020 nominiert.

Der Dokumentarfilm begleitet die 55-jährige Hatidze während ihres Alltags als Bienenzüchterin in einem abgelegenen Dorf im Norden Mazedoniens. Hier lebt sie gemeinsam mit der fast blinden Mutter, die sie pflegt, in einem kleinen Häuschen. Als sich eine türkische Familie in der Nähe niederlässt, samt Kinderhorde und Rinderherde, wird das sonst so ruhige Leben der Imkerin auf den Kopf gestellt. Und auch die Welt der Bienen gerät aus der Bahn.

„Honeyland“ stellt eine Parabel dar, die vom Geben und Nehmen erzählt. Die Ausbeutung der Natur durch den Menschen und der daraus resultierende Profitdrang sind Themen, die die Doku ständig umreißt. Im Zentrum des Gezeigten steht mit Hatidze eine besondere Frau, die mit ihrer sehr offenen, fast schon kindlichen Art schnell die Herzen der Menschen in ihrer Umgebung für sich gewinnen kann. Und auch die Herzen der ZuschauerInnen.

Wunderschöne Bilder untermalen das äußerst tiefsinnige Portrait einer Frau, die nicht nur von den Bienen lebt, sondern sich auch im Einklang mit ihnen befindet. Bereits die Eröffnungsszene erweist sich als überwältigend, wenn Hatidze sich in die Berge begibt, um aus den Felsspalten den Honig zu sammeln: die engen Bergwege und darunterliegende Schlucht scheinen dabei kein Hindernis zu sein, weder für die Bienenzüchterin noch für das Kamerateam.

Die Beziehung zu ihrer Mutter stellt darüber hinaus einen weiteren Handlungsstrang dar, der für so manch emotionale Szene sorgt. Hatidze hat ihr Leben der Pflege der alten Mutter verschrieben. Die Beziehung zwischen ihnen ist demnach etwas angespannt, wenn auch sehr herzlich. Die gemeinsamen Szenen enthalten jedenfalls viel Humor, aber auch viele kleine Streitereien kommen zum Vorschein – eine nachvollziehbare Familiendynamik also. Im Kontrast dazu steht die neu ankommende Familie, die mit ihren vielen Kindern auch sehr laut erscheint und so regelrecht in die Umgebung von Hatidze und ihrer Mutter „einbrechen“. Doch Hatidze, gewohnt offen und liebenswürdig, freundet sich schnell mit ihnen an. Und gibt ihnen den wohl wichtigsten Tipp, wenn man sich erfolgreich der Imkerei widmen möchte: Die Hälfte des Honigs muss bei den Bienen gelassen werden!

Natürlich halten sich die neuen Nachbarn nicht daran und auch hier kommt abermals der leitende menschliche Gedanke nach dem Profit auf Kosten der Umwelt zum Vorschein. Und auch der Umgang mit den Bienen ist eine andere: Wenn der Familienvater auf die Bienen trifft, wirkt er unruhig und gestresst, was viele Bienenstiche zur Folge hat. Wenn Hatidze auf die Bienen trifft, ist sie sehr ruhig, geradezu ein Teil von ihnen. Denn die Bienen gehören nicht nur zu ihrer Welt, sondern sie gehört auch zur Welt der Bienen, so scheint es.

Jedenfalls erhält man mit „Honeyland“ wahnsinnig schöne Bilder und auch wahnsinnig rührende Momente. Der Filmcrew gelang es, über eine Drehzeit von drei Jahren äußerst intime Momente einzufangen und darüber hinaus auch einen Kommentar über die Verkommenheit der Gesellschaft abzugeben, der aber trotzdem einen Hoffnungsschimmer beinhaltet.
 
 

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