Die Dohnal

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Forumseintrag zu „Die Dohnal“ von deutobald


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deutobald (04.11.2019 09:31) Bewertung
Dona Quichota im Land der wilden Kerle
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
So ein Friedhof ist ja ein Spiegel der Gesellschaft, sagt man. Der Wiener Zentralfriedhof wäre somit der größte den wir hierzulande haben. Wie in einem Bilderbuch kann man da die Superheroes durchblättern, an die sich das Land und vor allem die Stadt erinnern will. Beim dortigen Ehrengrab der Frauenpolitikerin Johanna Dohnal stockt man: es befindet sich zwar in direkter Nachbarschaft mit den Größen österreichischer Nachkriegspolitik, aber nur ein mickriges Holztaferl im etwas unfrisierten Rasen markiert den Platz.
Befasst man sich etwas näher mit dem Menschen Johanna Dohnal, wird die Sache allerdings klarer. Gelegenheit der Person und ihrem Werk näher zu kommen, gibt es in dieser Doku von Sabine Derflinger.

Und längst überfällig war dieser Film. Denn Johanna Dohnal war nichts weniger als eine der großen Pionierinnen der Frauenbewegungen in Österreich. Vom Reformer Bruno Kreisky 1979 als Staatssekretärin in die Regierung geholt hat sie 16 Jahre lang gegen die Windmühlen des Patriarchats gekämpft, gegen das „Was ist denn schon dabei?“ und „Das war schon immer so!“. Und dabei war uns heute Selbstverständliches nur ein Teil davon, wie etwa Gesetze, die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machen oder Frauen größere Unabhängigkeit bieten um pathologischen Beziehungsmustern zu entkommen. Eine noch größere Herausforderung war offenbar diese Richtlinien auch wirksam zu machen („Oba gö?“, meinte da offenbar ein Genosse zum interviewten Altkanzler Vranitzky, „Umsetzen tu ma diese beschlossene Quotenregelung eh ned, oder?“)

Technisch gibts nix zu meckern, der Film funktioniert gut. Entlang von Archivmaterial und Zeitzeugeninterviews führt einen Sabine Derflinger durch Dohnals Laufbahn, auch ein bissl Privatleben fließt ein. Man erfährt etwa, dass der Bescheidenen die Benutzung des fetten Dienstwagens für Minister immer peinlich war, sie aber trotzdem darauf bestand, da es ihrer politischen Sache abträglich gewesen wäre, wenn ausgerechnet die Frauenministerin im klapprigen VW dahergekommen wäre.
Aber Derflinger lässt auch heutige Frauen zu Wort kommen um zu zeigen, das es noch genug zu tun gibt für den Feminismus. Im Gegenteil, für junge Frauen fühlt es sich so an als müsse jede Generation erst recht wieder bei Null anfangen. Es bräuchte nicht erst die schockierende Zahl an aktuellen Eifersuchtsmorden um dies zu bestätigen.

Ein bissl merkt man, dass es von dem Film zuerst auch eine 3-stündige Schnittfassung gab. Man wünscht sich nämlich, dass der ausgelegte Fakten- und Ereignisteppich noch dichter wäre. Nicht nur die großen Meilensteine und Erfolge der Politikerin, auch die Durststrecken und Wüsteneien will man möglichst lückenlos kennenlernen. Oder auch noch mehr Wortmeldungen der Widersacher. Aber wichtiger ist bei so einem Film schon, dass er konsumierbar bleibt, denn möglichst viele, vor allem junge, Menschen sollten ihn sehen. Für die weggeschnittene Stunde ist ja auf der DVD hoffentlich Platz.
 
 

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