Pearl Harbor

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Forumseintrag zu „Pearl Harbor“ von Jetmir Krasnici


Jetmir Krasnici (07.06.2001 12:00) Bewertung
Komm und sieh das Paradies!
Hollywood übernimmt den Bildungsauftrag für die Vereinigten Staaten und interpretiert den „Tag der Schande" als eine heroische Wiedergeburt eines schlafenden Riesen, der voller Ehre im Kampfe für die Gerechtigkeit durch die bösen Japaner in den 2. Weltkrieg gezwungen wird.

Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, schlummert unschuldig im Dornröschenschlaf, der Krieg in Europa ist weit entfernt und Hitler ist nicht ihr Problem. Japan ist ebenfalls nicht in Reichweite, wenn man dem Kaiserreich den Zugang zum Öl erschwert und verbietet, sollte nichts passieren. So das offizielle Statement der regierenden Politiker. Die Wahrheit könnte eine bittere sein: Jeder, der sich wehren kann, tut das auch, vor allem wenn man die militärischen Möglichkeiten dazu hat. In den amerikanischen Geschichtebüchern werden die guten Engeln als Opfer beschrieben - natürlich ohne die zu vor von ihr ausgehende Aggression zu erwähnen. Aus vielen Kapiteln der Geschichte wissen wir, dass Verhandlungen meist den Vorbereitungen für eine „klare Sprache" dienen. Und mit dieser hätten die Armies rechnen müssen, haben sie vielleicht auch. Nach dem Angriff der Japaner am 7. Dezember 1941 stand auch die Bevölkerung hinter der Politik: „Die Feigheit der Japaner müsse bestraft werden. Das Land und seine Menschen (we trust in god, the stars and stripes) kennen die Antwort: Angriff ist die beste Verteidigung!"

Wenn man das Strickmuster von Jerry Bruckheimer und Michael Bay kennt, kann man „Schlimmes" erwarten, doch so eine Gehirnwäsche grenzt am Unglaublichen. Popcornkino ist selten anspruchsvoll, doch bei „Pearl Harbor" hat man die Pflicht darauf hinzuweisen, dass solche Machwerke gefährlich sind. Der Zuschauer bekommt ein Werbevideo, früher nannte man es Propagandafilme, und könnte so ein komplett verzerrtes und falsches Bild eines der schrecklichsten Krankheiten der Menschheit entwickeln, wo es nichts Schönes gibt - der Bestie Krieg. Im Film, wie leider auch in vielen Medien, haben tausende Tote kein Gesicht. Hinter jedem gefallenen Menschen stehen mehrere Schicksale mit dem Glauben an Hoffnung, mit dem Traum vom Frieden und dem Wunsch am Leben zu bleiben. Oft ist es der Gedanke an einen oder mehrere geliebte Menschen, der die Todesangst erträglich macht.
 
In „Pearl Harbor" ist es ähnlich, aber doch anders! Eine Dreiecksgeschichte dient als Grundgerüst für die Handlung („Titanic" lässt schön grüssen): Zwei Freunde von Jugend an verlieben sich in die gleiche Frau. C'est ca! Es folgt die „wunderschön" gefilmte Bombardierung der Flotte, die Ouvertüre beginnt aus der Sicht eines Torpedos bis zum Einschlag, Explosionen, Maschinengewehreinsatz, einstürzende Gebäude und Menschen auf der Flucht - und das alles in „Widescreen"! Das Unfassbarere an der Verherrlichung des Krieges sind jedoch die Dialoge, die man in einem Ausdruck zusammenfassen kann: „Wahnsinn"! Mittendrin Cuba Gooding Jr. als Schiffskoch, der über zwei Jahre mit keiner Waffe Dienst machen musste, weil er ein Schwarzer ist. Nachdem sein Captain (O Captain, mein Captain) einer Torpedoexplosion erliegt, rennt er an Deck um die „Befehlskette" zu korrigieren und einen von vielen vorbeifliegenden „Zeros" abzuschiessen. Aussage: Im Krieg sind alle gleich! Meine Überzeugung ist das nicht, aber es kann sich jeder selbst sein Bild davon machen.

Die Extremität erreicht seinen Höhepunkt mit der Bewunderung des Generalstabs, als der an den Rollstuhl gefesselte Präsident bildlich zeigen muss, was alles möglich ist, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass die Staaten keine Möglichkeiten einer Vergeltung haben, indem er selbst auf eigenen Füssen steht. Glaubt an dieses Amerika! Und schickt die Bomber los, pardon das ist „top secret".

Die Rolle der Japaner versucht der Drehbuchautor Randall Wallace (Braveheart) zu differenzieren. An „Gut und Böse" ändert das wenig. Die Verlogenheit des Films erreicht ihren Gipfel in der „einseitigen" Darstellung der Unmenschen. Zig mal kann man nur eines beobachten: Japanflagge, grimmige alte Gesichter in blauen Uniformen, die nur eines im Sinn haben, den „Überraschungsangriff". Weitere Frechheit gefällig: Der Telefonanruf eines Militärs mit einem auf Pearl Harbor ansässigen japanischen Zahnarzt, der gewissenlos bestätigt, dass alles ruhig ist und die Amerikaner noch nichts gemerkt haben. Das Wort „Feigheit" schon überstrapaziert? Natürlich verliert der Film kein Wort darüber, was nachher mit den Amerikanern japanischer Abstammung geschah. Zur Erinnerung: Lager wurden geschaffen und im gefängnisartigen Zustand wurden sie alle der Freiheit und der Rechte beraubt. Ist nicht schön, kommt deshalb auch nicht vor.
Ein letztes Beispiel patriotischem Stolzes: Die zwei Helden beim Blutspenden. Großaufnahme: Traurige Gesichter. Kamera schwenkt zu den Nadeln in den Armen. Kamera folgt den Schläuchen. Das Blut rinnt in zwei Flaschen - Coca-Cola-Flaschen!

Am Ende schließt sich der Kreis und man ist enttäuscht, dass Ehrlichkeit keinen Stellenwert findet. Vielleicht ist Ehrlichkeit nur „out", oder es war nie „in"?
 
 

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