Patrick

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susn (30.08.2019 14:14) Bewertung
Tragische Verluste im Nudistencamp
Exklusiv für Uncut vom Karlovy Vary Film Festival
Der belgische Regisseur Tim Mielants, bekannt durch seine Arbeit in „Legion“, „The Terror“ und die dritte Staffel von „Peaky Blinders“, präsentierte am Karlovy Vary Filmfestival sein Spielfilmdebüt „De Patrick“, eine Tragikkomödie über einen Mann der in einem Nudistencamp in den Ardennen seinen Hammer verliert. Das Verschwinden des Werkzeugs steht jedoch nicht für sich selbst, sondern wird in einer exzentrischen Aufarbeitung metaphorisch für den Verlust eines geliebten Menschen genutzt.

Der flämische Schauspieler Kevin Janssens spielt fast unerkennbar mit Gewichtszunahme und Topffrisur den Mittdreißiger Patrick, Sohn des Nudistencamp-Besitzers Rudy (Josse De Pauw). Der kränkliche Rudy ist nicht mehr am Ball was das Management des Camps betrifft und unter den Gästen kommt es unter der Führung von Herman (Pierre Bokma) bereits zu Unruhen. Dann stirbt Rudy plötzlich und die Verantwortung fällt an Patrick. Dieser ist jedoch zu abgelenkt davon seinen gleichzeitig verschwundenen Hammer zu suchen. Mit Verbissenheit stürzt er sich in die Suche während um ihn herum die Wogen hochgehen und bald stellt sich die Frage, was er mit dem Wiedererlangen des Werkzeugs eigentlich bezwecken will.

Die Idee eines emotional verklemmten Exhibitionisten ist eigentlich ganz originell, den so gleichgültig Patrick gegenüber vollkommener Nacktheit ist, so schwer tut er sich seine Emotionen bloß zu stellen. Insbesondere während der ersten Stunde zeigt Mielants ein Geschick dafür, Komödie und Tragödie miteinander zu verbinden und mit pfiffigen Wendungen und Überraschungen die Handlung am Laufen zu halten. Im dritten Akt, als der große Verschwörungsakt und ein Mordfall noch mitzumischen beginnen, beginnt die Handlung jedoch leicht zu stottern und rückt von ihrem eigentlichen Fokus weg.

Die Tatsache, dass fast alle Darsteller durchgehend nackt sind, mag auf den ersten Blick etwas provokant wirken, Mielants begegnet dieser Tatsache jedoch mit so wenig Aufmerksamkeit, dass es nach einigen Minuten gar nicht mehr auffällt. Ebenso umschifft er eine potenzielle Fadheit seiner wenig expressiven Hauptfigur, indem er sich weniger auf das Innenleben des sehr privaten Patricks konzentriert, sondern mehr um die Welt um ihn herum. So lernt der Zuschauer nicht nur dessen Mutter und die teils machthungrigen Camper kennen, sondern auch Rockstar Dustin Apollo (Jemaine Clement, der sich aus einer glücklichen Fügung in einen belgischen Indiefilm verirrt hat) und dessen On- und Off-Freundin, dargestellt von niederländischen Jungstar Hanna Hoekstra.

Was Mielants gelingt, ist der Fokus aufs Detail. Die Farben der Umgebung sind einheitlich und reflektieren in ihren Ocker- und Beigetönen die Farbgebung der Figuren. Die Kamera verweilt auf Details wie Marmeladengläser oder Werkzeug, und wenn dann die Lichter der Polizeiwagen gegen Ende die Farbgebung stören ist klar, hier ist etwas passiert.

Der Schluss mag zwar etwas überzogen und antiklimatisch sein, jedoch verspricht dieser Einstand noch viel Großes von Tim Mielants und war definitiv einer der stärkeren Filme im Wettbewerb des Karlovy Vary Filmfestivals.
 
 

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