Waiting for the Barbarians

Bewertung durch 8martin  90% 
Durchschnittliche Bewertung 88%
Anzahl der Bewertungen 2

Forumseintrag zu „Waiting for the Barbarians“ von 8martin

8martin_ea7f49f0f3.jpg
8martin (17.08.2022 13:06) Bewertung
Ja, wo sind sie denn ?
Sollte der Titel ernst gemeint sein, spricht aus ihm die pure Ironie. Wenn er sich auf die Geschichte des Imperialismus beruft, kann man nur antworten ‘Da könnt ihr lange warten.‘
In einem abgelegenen Grenzfort vertritt ein Magistrat (Mark Rylance), ein mittlerer Beamter, das Empire. Colonel Joll (Johnny Depp) ist für seine brutalen Verhörmethoden inklusive Folter bekannt. Bereits der einleitende Dialog zwischen Joll und dem Magistrat verdeutlichen die geistige Heimat der beiden: während der Colonel die Wahrheitsfindung auch durch Folter befürwortet, wenn es zu einem Geständnis führt, lehnt dies der Magistrat total ab. Joll bezeichnet die Beduinen als Barbaren, der Magistrat versucht ihm das Gegenteil zu beweisen.
Ein Mädchen, (Gana Bayarsaikhan) ist eines von Jolls Folteropfern. Der Magistrat pflegt sie gesund und bringt sie zu ihrem Volk zurück. Er will sie sogar in die Stadt mitnehmen, doch Gana lehnt ab, sie plagt sich mit Suizidgedanken. Diese zärtliche Beziehung bleibt immer auf Distanz. Daraufhin wird dem Magistrat von Jolls Nachfolger, Offizier Mandel (Robert Pattinson) der Prozess gemacht. (Vorwurf Verrat und Umgang mit niederen Frauen). Er ist ein noch schlimmerer Sadist als Joll. Der Magistrat wird öffentlich gedemütigt und in einem weißen Tütü zur Schau gestellt. Er hat dem Colonel widersprochen, der mit einem Hammer auf die gefesselten Beduinen losgehen wollte. Auch kleinen Mädchen gibt man einen Knüppel in die Hand.
Als Mandel eine Kiste mit Holzplättchen findet, nutzt dies der Magistrat, um den hohen kulturellen Standard der Beduinen zu beweisen, die ihr Leid hier aufgeschrieben hatten.
Sie werden einen Soldaten ohne Gehirn auf ein Pferd binden, um ihre Verachtung zum Ausdruck zu bringen.
Mit der Schlusssequenz lehnt sich Regisseur Guerra ganz eng an die literarische Vorlage von Coetzee, der auch das Drehbuch schrieb, an. Nach ersten Plünderungen ziehen die Imperialisten ab, von Wurfgeschossen begleitet, das Fort wird von Vogelscheuchen ähnlichen Puppen bewacht während sich in der Ferne eine breite Staubwolke entwickelt.
Gnadenlos ehrlich, schonungslos realistisch.
 
 

zum gesamten Filmforum von „Waiting for the Barbarians“
zurück zur Userseite von 8martin