Marriage Story

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Forumseintrag zu „Marriage Story“ von MrsBlonde

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MrsBlonde (30.10.2019 18:53) Bewertung
Szenen einer Scheidung
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Lange wurde er erwartet, der neueste Film von Noah Baumbach. Mit „Marriage Story“ kommt nach „The Meyerowitz Stories (New and Selected)“ nun nicht nur eine weitere „Story“ auf den Markt, sondern auch eine weitere Zusammenarbeit mit Netflix. Die Tragikomödie rund um ein sich in Scheidung befindendes Ehepaar feierte ihre Premiere in Venedig. Publikum und KritikerInnen konnte der Film dort jedenfalls schon mal von sich überzeugen. Und das werden sicherlich nicht die Letzten gewesen sein!

Charlie (Adam Driver), ein avantgardistischer Theaterregisseur aus New York und seine Frau Nicole (Scarlett Johansson), die in dessen Theatergruppe als Schauspielerin tätig ist, lassen sich scheiden. Obwohl sie sich anfangs darüber einig sind, alles freundschaftlich regeln zu wollen, stellt sich das Scheidungsverfahren bald als herausfordernde Gemütsprobe heraus. Als dann auch noch Anwälte hinzugezogen werden, droht die Situation zu eskalieren. Nicole und Charlie müssen aber nicht nur ihre Differenzen klären, sondern sich auch in ihren neuen Leben zurechtfinden und vor allem müssen sie auch entscheiden, was das Beste für den gemeinsamen Sohn ist.

Schon der Beginn von „Marriage Story“ gleicht einem Gedicht: Charlie und Nicole wurden vom Familientherapeuten, der ihnen während der Scheidung unterstützend zur Seite gestellt wurde, mit einer besonderen Aufgabe betraut. Sie sollen die positiven Aspekte ihres ehemaligen Partners aufschreiben und das Geschriebene dann vorlesen. Die Charaktere hätten nun die geschriebenen Zeilen einfach vorlesen können, aber Baumbach wählte einen viel spannenderen Zugang, um die persönlichen Notizen in die Handlung einzubauen. Er beginnt gleich mit den Stimmen aus dem Off, die die positiven Seiten ihres jeweiligen Ex-Partners beschreiben und untermalt das Gesagte mit Szenen, die diese Behauptungen unterstreichen. Zum Beispiel erfährt man so, dass Nicole ständig Tee brüht, diesen aber nie trinkt. Oder das Charlie sich gut kleidet, was für Männer – so Nicole - schwierig zu sein scheint. Er sei aber auch ein guter Vater und liebt die unzähligen Aufgaben, die die Vaterschaft so mit sich bringt. Nicole hingegen wird nie müde, wenn es darum geht, mit dem gemeinsamen Sohn Henry zu spielen. Und sie spielt richtig!

So schön diese ersten Momente anzusehen sind, so schnell wird man wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, wenn Nicole und Charlie gar nicht dazu kommen, sich die geschriebenen Zeilen vorzulesen, da es davor wieder zu einem Streit kommt. Und das fasst womöglich auch den Rest der Handlung ganz treffend zusammen: Der Film lässt dich in dem einen Moment noch laut auflachen und bricht dir im nächsten das Herz. Aber bei Baumbachs neuestem Film handelt es sich keinesfalls um ein aufgeblasenes Scheidungsdrama, der schnell auf die Tränendrüse drückt. Der Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb, nahm sich der Thematik nämlich auf sehr einfühlsame und vor allem ehrliche Weise an.

Dass dies auch gelingt, ist vor allem den hervorragenden DarstellerInnen zu verdanken, allen voran Scarlett Johansson und Adam Driver - wobei vor allem Driver eine wahnsinnig starke Präsenz an den Tag legt. Aber auch Laura Dern ist in ihrer Nebenrolle als toughe Scheidungsanwältin gewohnt brillant. Untermalt wird das Ganze von einem unaufdringlichen Soundtrack und passenden Settings, wobei hierbei vor allem das kontrastreiche Leben zwischen New York (wo Charlie lebt) und Los Angeles (wo Nicole lebt) in Szene gesetzt wurde, um die Distanz, die sich zwischen den ehemaligen Partnern entwickelt, noch stärker zu betonen.

Der Film macht jedenfalls alles richtig, wenn es darum geht, authentische Gefühle zu vermitteln. Er lebt von seinen fabelhaften DarstellerInnen, seinem Humor und Witz, aber auch von seinen stillen Momenten. Einerseits erweist er sich auf emotionaler Ebene als wahnsinnig fordernd, anderseits ist er auch sehr rührend. Freud und Leid liegen hier nah beieinander, so scheint es, genauso wie Liebe und Hass. Wobei der Hass dann doch wieder mit der Freundschaft ausgetauscht wird. Wie dem auch sei, „Marriage Story“ ist sicherlich ein Highlight in Noah Baumbachs Filmografie und stellt jedenfalls für mich meinen neuen Favoriten dar!
 
 

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