Midsommar

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Forumseintrag zu „Midsommar“ von DanyBoy


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DanyBoy (12.09.2019 13:19) Bewertung
Midsommar – Ein wunderschöner (Alb)traum
Exklusiv für Uncut
Es ist immer eine kleines, aber feines Ereignis in der Filmwelt, wenn sich unbekannte Regieseur_innen mit ihrem Debütfilm einen Platz in den Top 10 der Kinocharts verdienen. Jedoch noch spannender ist die Frage nach dem zweiten Werk. Handelt es sich um ein One-Trick-Pony oder wurde gerade ein neues Highlight entdeckt? Die Erwartungen waren also dementsprechend hoch als der Trailer zu Ari Asters „Midsommar“ erschien, nachdem er 2018 mit „Hereditary“ einen der besten Beiträge zum Horrorgenre der letzten Jahre lieferte.

Doch worum geht es? Dani (Florence Pugh) und ihr Freund Christian (Jack Reynor) verreisen mit der gemeinsamen Freundesgruppe nach Schweden. Dort besuchen sie die bäuerliche Kommune ihres Freundes Pelle (Vilhelm Blomgren) welcher dort aufgewachsen ist. Während Mark (Will Poulter) den Dorffrauen nachschaut, wollen Josh (William Jackson Harper) und Christian ihre Masterthese in Anthropologie über die Bräuche der Leute machen. Dani versucht sich von anderen Aspekten ihres Lebens abzulenken und Pelle genießt die Zeit in der Heimat. Unter einer heißen schwedischen Sommersonne, die zu dieser Jahreszeit nie wirklich untergeht, begegnet der Gruppe eine liebevolles Dorfleben, voller weißer Kleider, Blumen im Haar und Gesang in der Luft. Natürlich trügt der Schein des friedlichen Landlebens und nach und nach offenbaren sich menschenverschlingende Abgründe.

„Midsommar“ ist einer dieser Filme, die wahnsinnig toll und vor allem faszinierend sind und es ist auch einer der Film die es einem wahnsinnig schwer machen ohne Spolier über sie zu berichten oder über schwammige allgemein Floskeln hinauszugehen. Was ich über diesen Film aber auf jeden Fall sagen kann, ist das er einer der schönsten Filme seit langem ist. Asters bedient sich einer ruhigen, klaren und sehr geometrischen Bildsprache. Die Bilder sind gefüllt mit wundervollen Kleidern, sattem grünen Gras, einem blauen Himmel und einer eigentlich zutiefst kitschig anmutenden Szenerie. Kombiniert mit dem sehr konstruierten Bildaufbau wird eine Atmosphäre erzeugt, die zwischen Komik und Seltsamkeit oszilliert aber niemals ihre Schönheit verliert. Wenn „Hereditary“ beklemmend und deprimierende Bilder hatte, dann sind jene von „Midsommar“ offen, warm und oft vor allem eins: unangenehm komisch.

Der Cast funktioniert fantastisch und Florence Pugh ist mit ihrer Rolle als Dani einer meiner absoluten Lieblingsfiguren in einem Horrorfilm geworden. Sie passt in jeder Szene perfekt und spiegelt ihre Trauer, ihren Schmerz und ihre Verwirrung über die Umstände der Welt tadellos.

Was ich am wenigsten erwartete, war, wie viel ich während diesem Film lachen würde. Aster geht hier eine sehr andere Richtung und bricht Szenen und Gefühle auf einen sehr trockenen Humor runter, statt sie in horrenden Bildern auszudrücken. So nimmt er speziell die klassischen Horrorfilmtropen und löst eher komödiantisch als gruselig auf. Dies soll nicht heißen, dass kein Horror stattfindet. Speziell in den ersten 15 Minuten wird uns eine Szene präsentiert, bei der einige Wegschauen werden müssen weil Aster beschließt den Boden mit unseren Nerven zu wischen. An dieser Stelle sei gesagt, dass der Film zwar bis auf einige Ausnahmen auf Jumpscares und ähnliches verzichtet, er jedoch an einigen Stellen äußerst explizit mit Körperhorror ist. Erneut inszeniert Aster auch diese Szenen mit einem gewissen trockenen Humor und nicht gnadenlosem Schrecken, dennoch sollten Leute die aus Körper ragende Knochen und ähnliches per se nicht vertragen, bereit sein an einigen Stellen weg zu schauen. Asters Horror ist ein sehr grundsätzlicher. Zutiefst Menschliche Grundkonflikte wie Trauer, Schmerz und Angst stehen im Mittelpunkt, der Horror resultiert hauptsächlich aus unserem Umgang mit ihnen. Aster bedient sich Horrorfilmtropen und Stilmittel aber legt es nie darauf aus uns zu Tode zu erschrecken. Weit mehr geht es darum, den Schrecken über die Laufzeit des Filmes in uns rein sickern zu lassen. Gegensätzlich zu den meisten Horrorfilmen, die gegen Ende immer schlimmer werden, tritt „Midsommer“ gegen Ende eher in einen Zustand merkwürdiger Katharsis ein.

Wenn beklemmende Thematiken auf ästhetisch atemberaubende Bilder und abstrusen Humor treffen ergibt es ein facettenreiches Gesamtwerk, dass nur schwer klar eingeordnet werden kann. Film allgemein ist ein subjektives Medium, jedoch glaube ich werden die Reaktionen auf „Midsommar“ besonders divers sein. Weniger in dem Sinne, dass ihn viele schlecht und viele gut finden werden, sondern mehr in dem Sinne, dass ihn die meisten fantastisch finden werden, allerdings aus gänzlich unterschiedlichen Gründen. Manche werden sich wie bei einer Komödie amüsieren und andere werden sich bis in ihr Mark erschüttern lassen. Einigen werden sich einfach in seinen schönen Bildern verlieren und andere werden es kaum beschreiben könne, was exakt ihnen so gut gefallen hat. Ich für meinen Teil freue mich jetzt schon wieder darauf ihn erneut sehen zu können und diesen wunderschönen Albtraum erneut auf mich wirken lassen zu können.
 
 

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