Atlantique

Bewertung durch MrsBlonde  80% 
Durchschnittliche Bewertung 80%
Anzahl der Bewertungen 1

Forumseintrag zu „Atlantique“ von MrsBlonde

blob-0-1000-0-1000-crop_b119e26de3.jpg
MrsBlonde (11.11.2019 11:02) Bewertung
Geisterstunde in Dakar
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Mati Diop ist vor allem durch ihre Rolle in Claire Denis Familiendrama „35 Rum“ bekannt. Sie ist aber auch hinter der Kamera tätig und inszenierte so bereits 2004 den Kurzfilm „Atlantiques“, eine Doku über zwei Freunde aus dem Senegal, die über das Meer nach Europa gelangen wollten. 2019 nahm sie sich dem Thema erneut an, diesmal unter dem gekürzten Namen „Atlantique“ und mit einer Fiktionalisierung der Handlung, die Romanze, Geistergeschichte und Flüchtlingsdrama miteinander vereint. Der Film lief im diesjährigen Wettbewerb in Cannes, wo Diop den Großen Preis der Jury gewinnen konnte.

Die junge Ada (Mame Bineta Sane) soll auf Wunsch ihrer Familie den vermögenden Omar heiraten. Sie liebt allerdings Souleimane (Ibrahima Traore), der mit seinen Freunden über das Meer nach Europa gelangen will und Ada in Dakar zurücklässt. Diese heiratet also Omar, der Hochzeitstag wird allerdings von einem Feuer gestört, welches im Schlafgemach der Frischvermählten ausbricht. Der Ermittler Issa (Amadou Mbow), der unter seltsamen Schwindelanfällen leidet, wird mit der Suche nach dem Brandstifter betraut und schnell ist er sich sicher, dass Souleiman seine Finger im Spiel hat – wenn auch auf andere Weise, als dieser erwartet.

Mati Diop, die als Tochter des senegalesischen Musikers Wasis Diop in Frankreich geboren wurde, findet mit „Atlantique“ einen eigenen Zugang zu den Themen Flucht und Migration, wenngleich die Ästhetik des Films schon an die Filme von Claire Denis erinnert. Sie vereint dafür verschieden Elemente miteinander, die ihre Ausgangsbasis in den politischen und gesellschaftlichen Umständen Dakars haben. Die Ausläufer des Arabischen Frühlings waren nämlich auch hier spürbar. Die Stadt und ihre Einwohner werden genauer unter die Lupe genommen, vor allem aber auch die unterschiedlichen Lebensqualitäten. Wenn man nicht zur vermögenden Oberschicht gehört, bleibt einem nicht viel übrig als beispielsweise nach Europa zu fliehen.

„Atlantique“ geht genau darum, beginnend mit den Männern, die das Land verlassen und endend mit den Frauen, die zurückbleiben. Dazwischen erstreckt sich eine dichte Trennungsgeschichte voller Sehnsuchts- und Verlustschmerz. Unterstrichen wird das ganze durch das Meer, auch auf inszenatorischer Ebene, was für das Aufkommen unterschiedlicher Atmosphären sorgt.

Der Debütlangfilm von Mati Diop ist jedenfalls eines: sehr komplex. Er vereint Romanze, Detektivgeschichte und Geisterfilm in einem. Manchmal ist das etwas zu viel des Guten, da dadurch einzelne Elemente auch etwas untergehen. Es handelt sich allerdings nichtsdestotrotz um ein sehr ambitioniertes Werk mit tiefgründiger Botschaft. Diop war es wichtig, so sagt sie bei der Viennale, dass sie keinen weiteren pessimistischen Film über Afrika macht und sich so auch nicht der typischen, vorherrschenden Stereotype bedient. Das ist ihr auch gelungen, mit einem vielschichtigen Genrefilm, der letztendlich vor allem auch auf eine hoffnungsvolle Zukunft verweist.
 
 

zum gesamten Filmforum von „Atlantique“
zurück zur Userseite von MrsBlonde