Loro - Die Verführten

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Forumseintrag zu „Loro - Die Verführten“ von Nina Isele

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Nina Isele (22.01.2019 19:34) Bewertung
King of His Castle
Paolo Sorrentino schafft es mit „Loro" leider nicht, an sein Meisterwerk „La Grande Bellezza" aus dem Jahr 2013 anzuknüpfen. Es gibt keinen roten Faden, der die Episoden zusammenhalten würde und die moderne Musik komplementiert die Bilder zu keinem stimmigen Ensemble. Einige Parallelen sind jedoch zwischen den beiden Werken erkennbar. Während in „La Grande Bellezza" die Protagonisten die Reichen und Schönen von Rom sind, dreht sich Sorrentinos neuer Film um einen der umstrittensten Politiker Europas und seinen Gefolgsleuten: Silvio Berlusconi. Sorrentino sichert sich jedoch gleich im Vorspann mit der abgelutschten Phrase ab, es handle sich nicht um reale Personen, jegliche Ähnlichkeit zu aktuellen Personen wären reiner Zufall.

Der italienische ‚Presidente' tritt erst nach circa einer 3/4 Stunde ins Bild, davor wird der Mythos um ihn (LUI) von seinen treuen Anhängseln (LORO) aufgebaut, unter anderem durch eine fragwürdige Tätowierung auf dem unteren Rücken eines Bunga-Bunga Mädchens. Sie sind die eigentlichen Protagonisten: die jungen, hübschen Frauen und die Männer, die sie an DEN Mann bringen wollen, um bei seinem Kuchen mitnaschen zu können. Dadurch fällt das Setting auch weniger ästhetisch und dafür aufreizender aus, mit zahlreichen (halb-)nackten Party- und Tanzszenen. Dass Jugend und Schönheit vergänglich sind und die Show nicht ewig weiter gehen kann, müssen dabei aber gleich mehrere Charaktere erfahren.

Neben den Partysongs wie „King of my Castle" (Wamdue Project, 1999), die die Ambitionen des ‚besten Verkäufers Italiens' so passend widerspiegeln, findet man auch volkstümlich angehauchte Musik. Die sardische Gitarrenmusik bezieht sich auf den Hauptort des Geschehens, Sardinien, so wie die religiösen Arien in „La Grande Bellezza“ den Vatikan in Rom reflektiert haben.
Sorrentino bettet seine Geschichten nicht nur gerne geografisch & musikalisch ein, sondern versucht auch zeitnahe Ereignisse Italiens einzuflechten. So stellt er dem oberflächlichen, nach Ruhm und Geld ausgerichteten Lebensstil Berlusconis und seiner Anhänger, eine rauere Realität gegenüber, die vor allem die untere Gesellschaftsschicht betrifft. Diesmal hat er sich für das Erbeben in L’Aquila entschieden, das durchaus als Metapher für die zerstörerische Komponente der Korruption in der italienischen Politik gedeutet werden kann.

Wer sich ein ästhetisch stimmiges Werk wie „La Grande Bellezza“ erwartet, wird von „Loro“ enttäuscht werden. Wenn man in den Mythos Berlusconi jedoch auf spielerische und nicht ganz ernst gemeinte Weise tiefer eintauchen möchte, könnte nicht schlecht unterhalten werden, zumal Toni Servillo der zwielichtigen Figur seine ausdrucksstarke Mimik & Gestik leiht. Zuletzt sei noch Riccardo Scamarcio erwähnt, der einen ambitionierten Zubringer hübscher Mädels mimt und damit den Traum, an der Seite des wahrscheinlich einflussreichsten Mannes Italiens zu stehen, erschreckend überzeugend verkörpert.
 
 

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