Lowlife

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Forumseintrag zu „Lowlife“ von chrosTV

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chrosTV (06.10.2018 08:49) Bewertung
Tarantinoesque Gangster-Groteske mit Biss
Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
Seitdem Quentin Tarantino 1994 mit seinem Kult-Meilenstein „Pulp Fiction“ die Erzählmechanismen des modernen Kinos auf den Kopf stellte, versuchten zahlreiche junge Filmemacher der Postmoderne seinen Stil zu imitieren - zumeist jedoch mit eher dürftigen Ergebnissen. Während diese Tarantino-Copycats, zu denen ich auch nahezu das gesamte Werk des britischen Autorenfilmers Guy Ritchie zähle, zumeist den Coolness-Faktor der Charaktere, die Härte der Gewaltdarstellungen, die schnellen Schnitte und den flotten Soundtrack hinbekamen, fehlte diesen bisher zumeist eine essentielle Zutat, die Tarantinos Werke stets so rund wirken lässt. Trotz der Schrulligkeit und humoristischen Ansagen der Charaktere in seinen Filmen, gelingt es Tarantino nämlich zumeist dennoch auch seine Figuren in einer gewissen emotionalen Tiefe zu grundieren, die man in den Imitationsversuchen meist kläglich vermisst. Dadurch verkommen die meisten gewollt „tarantinoesquen“ Filme in der Regel nicht zu einfachen Hommagen an dessen Stil, sondern meistens leider zu lieblosen Kopieversuchen, denen es aber an jeglicher Würze fehlt. Diese Probleme schafft es Regisseur Ryan Prows in seiner Gangster-Groteske „Lowlife“ weitestgehend bravourös zu umschiffen und hat somit einen Film geschaffen, den man einerseits zwar als tarantinoesque bezeichnen kann - der andererseits aber auch auf eigenen Beinen stehen kann.

In bester Tarantino-Manier erzählt Regisseur Prows die Geschichte des Films zunächst durch separate Episoden, die nach und nach aber ineinander übergehen. Im Mittelpunkt stehen dabei der ehemalige Wrestler El Monstruo (Ricardo Adam Zarate), der hofft sein jetziges kriminelles Dasein bald der Vergangenheit angehören zu lassen, dessen hochschwangere und heroinsüchtige Frau Kaylee (Santana Dempsey), die toughe Motelbesitzerin Crystal (Nicki Micheaux), der ruchlose Gangster-Boss Teddy (Mark Burnham) sowie die beiden naiven Kleinkriminellen Keith (Shaye Ogbonna) und Randy (Jon Oswald). Letzterer ist soeben frisch aus dem Knast rausgekommen und zieht für ein neugewonnenes Hakenkreuz-Tattoo, das sein gesamtes Gesicht verziert, besonders viel Aufmerksamkeit auf sich.

Prows ist es gelungen, interessante und fein ausgearbeitete Charaktere zu erschaffen, deren Geschichten strukturell gesehen nahtlos miteinander verwoben werden. Auf der einen Seite punktet der Film dabei mit tiefschwarzer Situationskomik. Die Showstealer dürften in puncto Comedy auf alle Fälle Ex-Wrestler El Monstruo und Hakenkreuz-Dummschädel Randy sein. Während El Monstruo mit seinen schubhaften Wutausbrüchen oder der Tatsache, dass er nie seine Maske abnehmen will amüsante Schmunzler produziert, darf Randy vor allem durch sein dussliges aber zugleich irgendwo trotzdem liebenswürdiges Gemüt für einige der größten Lacher im Film sorgen. Auf der anderen Seite lässt Prows seine Charaktere nicht zu reinen wandelnden Gag-Maschinen verkommen, sondern hat ihnen weitestgehend tatsächlich nötige Tiefe gegeben - ja, selbst dem Mann mit dem Hakenkreuz im Gesicht. Es wurde darauf Wert gelegt die Handlungen der Figuren stets in ihren Motivationen grundieren zu lassen, weswegen man als Zuschauer die ganze Zeit über mit den meisten Charakteren mitfiebern kann. So kreiert der Film einen selten gelungenen Spagat zwischen tiefschwarzer Situationskomik und Charakter-basiertem Drama, der die meiste Zeit hinweg wirklich standhält.

Durch den intelligenten Aufbau der jeweiligen Episoden wird stets die Spannung aufrecht erhalten. Es fällt zudem durch eine fürs Genre überraschend bodenständige, und nicht wie sonst oft hochglanz-ästhetisierte Inszenierung, besonders leicht, in das Milieu des Films einzutauchen. Trotz alledem sonnt sich der Gangster-Streifen im letzten Drittel dann doch etwas zu sehr in seinen eigenen Gewaltdarstellungen und schafft es nicht ganz ein jedes der Schicksale organisch auszuerzählen.

Ungeachtet dessen bleibt „Lowlife“ zusammengefasst dennoch eine wahnsinnig unterhaltsame wie oft auch tieftragische Gangster-Groteske, die vor allem mit multidimensional gezeichneten und toll gespielten Charakteren überzeugt.

Ein tarantinoesquer Film, der zur Abwechslung mal das Adjektiv auch wirklich verdient hat!
 
 

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