Wonder Woman 1984

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Forumseintrag zu „Wonder Woman 1984“ von theuncannygirl


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theuncannygirl (03.01.2021 20:47) Bewertung
Wonder Woman trifft Tomb Raider trifft Hallmark Channel
Exklusiv für Uncut
„Wonder Woman 1984“ oder kurz „WW84“ ist die Fortsetzung von „Wonder Woman“ aus dem Jahr 2017 erneut unter der Regie von Patty Jenkins. Gal Gadot schlüpft abermals in ihre Rolle als Diana Prince bzw. Wonder Woman, und muss sich dabei Kristen Wiig als Barbara Minerva/Cheetah und Pedro Pascal als Maxwell Lord stellen. Chris Pine kehrt als Steve Trevor zurück. Die Laufzeit von zwei Stunden und dreißig Minuten wirkt sich sowohl für als auch auch gegen den Film aus, je nachdem wie sehr einem das Gezeigte über die zahlreichen Probleme hinwegsehen lässt. WW84 ist ein Werk mit Licht und Schatten, was zu einem sehr polarisierenden Filmerlebnis führt. Der Film beginnt mit einer Rückblende und Rückkehr nach Themyscira, wo wir die junge Diana bei einem Wettkampf beobachten. Ihre Erfahrung, die sie im Laufe dieses Bewerbs sammelt, ist sogleich das Leitthema von WW84, der Umgang mit Niederlage und Verlust. Nach diesem Prolog wird das Jahr 1984 als Setting etabliert.

Dieser historische Zeitrahmen stellt meinen ersten Diskussionspunkt dar, da bereits der Titel des Films seine Bedeutung impliziert. Das Geschehen in WW84 spielt während des Kalten Krieges, aber vermag es nicht die Atmosphäre dieser Zeit glaubhaft zu vermittelt, wie es etwa „X-Men First Class“ (2011) gelang. Die Vermischung einer realen Bedrohung mit der Darstellung einer idealisierten Version der Popkultur der 80er-Jahre funktioniert ebenfalls ganz und gar nicht, da diese beiden Welten narrativ viel zu weit voneinander entfernt liegen. In dieser Hinsicht kann der Film seine historisch spezifischen Spannungen weder erkennen noch verankern. Wer in WW84 Bezüge auf aktuelle gesellschaftspolitische Ereignisse sucht, wird diese auch in einem minimalen Ausmaß finden, was aber hauptsächlich auf der Tatsache beruht, dass sich das Verhalten von Politik und Politikern in den Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg oder Kalten Krieg kaum oder nur wenig verändert hat.

Die etlichen Handlungslücken sowie Ungereimtheiten wären mit etwas mehr Nachforschung und -kontrolle zu vermeiden gewesen. Ich bin mir nicht sicher was schlimmer ist: davon auszugehen, dass das Testpublikum dumm genug war, diese zu übersehen, oder, dass das Studio Feedback erhalten aber ignoriert hat. In dieser Hinsicht ist sich der Film leider selbst sein größer Feind, da diese Handlungslücken und Ungenauigkeiten die Sicht des Publikums auf das Gezeigte erheblich beeinflussen.

Kleinere Probleme, aber dennoch Probleme, sind die Actionszenen und bis zu einem gewissen Grad die Effekte. Die Stunts sind eher bodenständig und wenig spektakulär, während der visuelle Stil wohl nicht jedermanns Geschmack ist. Persönlich fand ich weder den Kampfstil noch seine künstlerische Interpretation optisch ansprechend. Wer den Film aufmerksam verfolgt, erkennt leicht die Übergänge zwischen den realen Stunts und digital produziert Sequenzen.

Positiv hervorzuheben ist, dass die Motivationen von Barbara und Maxwell sehr nachvollziehbar sind, weil sie auf Ablehnung und Sehnsucht nach Anerkennung beruhen. Petro Pascal und Kristen Wiig meistern mit großartigen Darbietungen diese Interpretation der bekannten Schurken aus den DC Comics. Insbesondere Wiigs Barbara/Cheetah gelingt es oft Diana/Wonder Woman zu überschatten. Dies ist jedoch keine Kritik, und unterstreicht nicht bloß Barbaras und Cheetahs Großartigkeit, sondern zeigt ebenfalls, wie sehr Diana sich als Freundin um Barbara kümmert, und dabei ihr Alter Ego ruhen lässt.

Die Leistung von Gadot entspricht ungefähr jener des vorherigen Films, was durch den Drehbuchfokus auf Dianas charakterliche Entwicklung hervorgehoben wird. Gleichzeitig gibt dies Chris Pines Steve mehr Zeit eine Beziehung zu Diana aufzubauen. Folglich sind seine Gespräche mit Diana wesentlich tiefgründiger als im Vorgängerfilm. Dies zeigt sich auch im Humor, der nun nicht nur erwachsener, sondern zudem nuancierter wirkt. Hoffentlich ist dies ein Zeichen dafür, dass Filmemacher und Produzenten Superheldenfilme nicht mehr mit einer Art von Humor übersättigen, die nur auf das Wesen einer geringen Anzahl von Charakteren zutrifft. Dennoch fanden einige charakterspezifisch unpassende Witze ihren Weg in den Film, was zeigt, welchen Einfluss die Produktionsfirma auf ein Drehbuch haben kann.

Das Ende eines jeden Films stellt einen Diskussionspunkt dar, und WW84 ist hierbei keine Ausnahme. Viele Streitgespräche über die Qualität dieses Films werden sich höchstwahrscheinlich vor allem darauf konzentrieren. Durch das eher sentimentale und klischeebeladene Ende, verliert der Film an Konstanz. Meiner Meinung nach wirkt sich dies nicht negativ auf das Gesamterlebnis aus, wenn man den Film bis zu diesem Zeitpunkt genossen hat. Wer WW84 jedoch bereits vor seinem Finale nicht unterhaltsam fand, wird in diesem keine Rehabilitation finden. Die Sentimentalität von WW84 unterscheidet den Film von vielen anderen Superheldenfilmen, was sich auch in den Konklusionen der Handlungsbögen der jeweiligen Charaktere widerspiegelt. Persönlich finde ich dies erfrischend und nicht als Negativaspekt, da alle Enden einen Bezug zum Beginn des Film und seinem Leitthema haben.

WW84 befasst sich mit einem ähnlichen Problem, mit dem auch die Konkurrenz bei Marvel in „Avengers: Infinity War“ (2018) und „Avengers: Endgame“ (2019) konfrontiert war, da auch Diana einen persönlichen Verlust erlitten hat und diesen zunächst nicht akzeptiert. In diese Fall steht die Idee, die hinter dem Charakter von Wonder Woman steckt auf dem Spiel. Zusammenfassend würde ich diesen Film als Wonder Woman trifft Tomb Raider trifft Hallmark Channel beschreiben, eine Kombination, die mir persönlich behagt. Ob Studios so viel Geld in eine Produktion stecken sollen, wenn sie dabei die Intelligenz ihres Publikums mit offensichtlichen Handlungslücken beleidigen, ist allerdings eine andere Frage.
 
 

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