Die Legende vom hässlichen König

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Forumseintrag zu „Die Legende vom hässlichen König“ von deutobald

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deutobald (17.05.2018 23:04) Bewertung
Annäherung an eine umstrittene Legende
Exklusiv für Uncut
Yılmaz Güney... Yılmaz Güney.... hmmmm, irgendwo ganz hinten in der Rübe klingelt schwach ein Glockerl. Aber lieber nachgegooglet: Filmemacher, Kurde, Kommunist, Revolutionär, Exilant, Mörder (?) und vieles mehr. Ahja, das war dieser Sagenumwobene, quasi der Atatürk des türkischen Kinos. Na hoffentlich spricht sich am Cineastenstammtisch nicht herum, dass ich da jetzt kurz ahnungslos war und erst recht, dass ich noch nie einen Film von dem gesehen habe. Nicht mal den legendären „YOL“ für den Güney 1982 die Goldene Palme in Cannes gewonnen hat. Sensationellerweise gleichzeitig mit dem Griechen Costa-Gavras. Eine herrliche Zeit diese 80er, wo es noch möglich war mit Filmpreisen politische Signale zu setzen.

Aber ich greife vor, denn wissen tu ich von dieser Preisverleihung erst seit der Premiere von „Die Legende vom hässlichen König“, der eben angelaufenen Filmbiographie Güneys vom deutsch-kurdischen Filmemacher Hüseyin Tabak. Er hat sich vorgenommen mit diesem Film das Leben jenes Mannes zu ergründen, der ihn dazu gebracht hat Filme zu machen. Also indirekt, denn begegnet sind sich der heute 36jährige und der 1984 Verstorbene natürlich nie. Also auch eine Reise zu den Wurzeln des Herrn Tabak und so muss der Zuseher anfangs die üblichen „Warum mache ich diesen Film?“- Sequenzen hinter sich bringen, immerhin mit nicht uninteressanten Einblicken in den filmakademischen Unterricht bei Michael Haneke.

Aber nach diesen reflektierenden Abschnitten taucht der Film mit Energie ab in die schier unglaubliche Biographie des Yılmaz Güney. Geboren in ärmlichen Verhältnissen mit frühem Talent zu Drama und Aufmüpfigkeit. Ein Leben für dessen Kompromisslosigkeit Güney 13 Jahre seines Lebens in Gefängnissen verbrachte. Aber dort geht er erst Recht seinen Weg, organisiert Häftlingskomitees, schreibt Drehbücher und führt aus der Haft Regie seines später ausgezeichneten Hauptwerkes „Yul“. An der Preisverleihung in Cannes kann er teilnehmen, da er von einem seiner Freigänge ins Ausland flieht. Die Freiheit im liberalen Frankreich der Regierung Mitterands bezahlt er mit Entwurzeltheit und er kann sie nur noch zwei Jahre leben: 1984 stirbt er an Magenkrebs.

Formal versucht Tabak in dieser Dokumentation einen eigenen Weg zu gehen: die äußere Biographie wird zackig abgehandelt und dient quasi als Grundgerüst für den weit längeren Teil des Filmes, der versucht den Menschen Güney aus dieser Biographie herauszukitzeln. Eine Montage aus Interviews mit zahlreichen Wegbegleitern und Familienmitgliedern, Originalmaterial und reflektierendem Off-Kommentar oftmals an Schauplätzen der Biographie.

Und obwohl Güney bis heute verständlicherweise als großer Held der Kurden gilt, scheut der Film auch nicht seine oftmals grausame Kompromisslosigkeit zum Thema zu machen. Etwa sein rüder Umgang mit einem Buben am Set, den er kurzerhand anbrüllt und ohrfeigt um ihn für die Kamera möglichst authentisch zum Weinen zu bringen (man sieht aber auch, wie er ihn nach Dreh der Szene tröstend in den Arm nimmt und erklärt, warum er so hart sein musste). Oder Güneys Ex-Frauen und Tochter, die unter der ständigen Abwesenheit des Mannes gelitten haben. Ja und dann dieser eigenartige Todesfall, bei einem Handgemenge in einem Restaurant, der Güney letztlich für viele Jahre endgültig hinter Gitter bringen sollte. Gerne hätte man da als Zuschauer mehr Details zu diesem Vorfall. Dass die Dokumentation einen hier etwas ratlos hinterlässt, liegt aber wohl an der tatsächlich etwas verworrenen Ermittlungslage.

„Die Legende vom hässlichen König“ ist die großteils gelungene Lebensgeschichte eines umstritten Helden aus politisch interessanten Zeiten. Ein Film, der Mut macht und nicht zuletzt erinnert an das gern verdrängte Los der 40 Millionen Kurden, die bis heute um ihren eigenen Staat kämpfen. Und der Film kommt zur besten Zeit: man wünscht den Kurden von heute viel vom Geist des Yılmaz Güney.
 
 

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